Thema:
Längere Wertschätzung meinerseits flat
Autor: hoover2701
Datum:27.02.19 20:42
Antwort auf:Bloodbourne ist für mich das beste Souls Spiel von Pfroebbel

Nachdem Leviathan hier schon den Anfang gemacht hat, will ich auch nochmal etwas ausführlicher darlegen, warum dieses Spiel für mich so besonders und mittlerweile mein BESTES SPIEL ALLER ZEITEN ist...

Ich bin nicht direkt zum Launch eingestiegen, habe aber aufmerksam vor allem hier im Forum immer fleißig mitgelesen und dann irgendwann den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Ich hatte vorher noch kein "Souls-Like" gespielt und alle Reviews, die ich zu Dark Souls / Demon Souls gelesen hatte, haben mich immer abgeschreckt. Der Verlust von Progression durch mehrmaliges Sterben, ohne seine Seelen/Blutechos wieder einsammeln zu können war für mich in keinster Weise als Mechanik zu erkennen, die einen Reiz ausmacht, eher im Gegenteil: "Wenn ich in einem Spiel was erreicht habe, dann muss ich das nicht nochmal machen!", habe ich immer gedacht - und dann kam der Moment in den Sewers bei Bloodborne:

Mein Start verlief holprig. Vom ersten Wolf sofort zermatscht, planlos im Hunter's Dream rumgestolpert, Waffen ausrüsten nicht kapiert und dann alle fünf Meter in Yharnam auf die Fresse gekriegt. Hatte ich das Gefühl, so langsam mit den Standardgegnern klarzukommen, kam sofort wieder der Tritt in die Hoden (die beiden Wölfe auf der Brücke, der dicke Minion an dem Tor, die beiden Minions auf dem Weg zum Fahrstuhl und und und...).

Wieder mal auf der Flucht vor den beiden Wölfen bin ich dann auf den geheimen Zugang zur Kanalisation gestoßen und habe mir bei jedem Meter, den ich weiter abwärts gewandert bin, nur gedacht: "Fuck, was mache ich hier eigentlich? Kriege nix geschissen, aber bin auf dem Weg in die Kanalisation. Das KANN ja nur schlimmer sein, als das, was hier oben schon abgeht!"

Ich hatte in der Zwischenzeit schon ziemlich viele Blutechos gesammelt und mir war auch klar, dass ich die später zum Leveln brauche, allerdings war mir das eigentlich zu dem Zeitpunkt noch wurscht, denn in erster Linie wollte ich einfach nur überleben. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als ich dort unten in der kompletten Dunkelheit nur mit Axt und Fackel bewaffnet meine Erkundungen gestartet habe. Ich weiß noch genau, dass ich damals erstmal eine Pause einlegen musste, weil ich nervlich so fertig war und mir erstmals bewusst wurde, dass ich hier ein ganz besonderes Spiel spiele. das hatte bislang noch kein anderes Spiel geschafft: Auf der einen Seite einen grandiosen Entdeckerdrang wecken, auf der anderen solch eine innere Anspannung erzeugen, dass es schon fast eine körperliche Pein war, voranzuschreiten.

Es kam, wie es kommen musste, die Ratten haben mich vernichtet und das, obwohl ich das Gefühl hatte, die halbwegs im Griff zu haben. Allerdings waren die auch wahnsinnig unheimlich und eklig und schnell und viele... Naja, wie gesagt: YOU DIED. Aber jetzt kommt's: Trotz dieses erneuten Rückschlags und vor allem der wenig erfreulichen Aussicht, einen besonders weiten Weg zurücklegen zu müssen, um meine Blutechos wieder einzusammeln, hatte ich den Reiz des Spiels in diesem Augenblick verstanden. Ich hatte die feste Überzeugung, wieder zu dem Ort meines letzten Todes zurückkehren zu können, ohne dabei draufzugehen - und das gelang mir dann auch. Seit diesem Zeitpunkt - und da dürfte ich locker schon sechs bis sieben Stunden mit dem Spiel verbracht haben - gab es keinen Blick mehr zurück. Ich habe das Spiel komplett aufgesogen und mir an gefühlt hundert Stellen immer wieder gesagt: Du spielst da gerade was ganz Besonderes!

Ich bin kein großer Pad-Virtuose und meine Reaktionen sind mit 47 Lenzen sicher nicht mehr Pro-Gamer-mäßig. Trotzdem hat Bloodborne mir seit dem Moment in der Kanalisation immer das Gefühl vermittelt, mir gegenüber fair zu sein. Starb ich, wusste ich warum (na gut, manchmal wusste ich es nicht zwingend in dem Moment, aber mit späterem Wissen, war mir dann klar, was der jeweilige Grund war). Das ist meines Erachtens auch das ganz große Kunstwerk, welches Bloodborne gelingt: Jeder Spieler, der sich auf das Spiel einlässt, kann es bezwingen. Ich kann nicht gut mit der Pistole stunnen, also muss ich das Ausweichen und das Kämpfen mit meiner Hauptwaffe verbessern. Komme ich bei einem Endgegner nicht weiter, kann ich entweder ein bisschen Leveln oder aber ich hole mir einen Mitstreiter dazu. Niemand kann mir erzählen, dass die Souls-Spiele schwer sind, sie sind nur wahnsinnig fordernd und setzen Geduld und den Willen, sich zu verbessern, voraus.

Geil war auch das Gefühl, auf einem ganz anderen Fähigkeitslevel zu sein, wenn man Gebiete erneut besucht, in denen man zu Beginn derbe auf den Arsch gekriegt hat und jetzt relativ entspannt und mit einer echten Taktik vorankommt. Und mit Fähigkeitenlevel meine ich jetzt nicht Level 12 im Vergleich zu Level 8, sondern meinen "echten" Skill. Auch das konnten bislang nur Souls-Spiele bei mir auslösen.

Jetzt, in meinem zweiten Durchgang nach langer Pause, gehe ich mit ein paar Zielen ins Spiel: Level 120 max, weil ich PvP mal ausprobieren will, Spezialisieren auf den Uncanny Saw Spear mit einem Quality Skill/Strength-Build, Blood Gem-Farming in den Chalice Dungeons etc. Und dieser zweite Durchgang hat mir jetzt wieder sowas von die Augen geöffnet, wie wahnsinnig gut, komplex und erwachsen das Spiel ist, weil es so unabhängig von gängigen Konventionen und eigenständig ist!

Ich glaube, es sind im Endeffekt die spürbaren Konsequenzen, die mein Handeln in dieser fantastischen Welt auslöst, die das Spiel zu einem einzigartigen Erlebnis machen. Man kann nicht pausieren, Entscheidungen sind final. Erkunde ich weiter oder kehre ich zum Leveln zum Hunter's Dream zurück? Gehe ich in den Gegenangriff, um mir Gesundheit zurückzuholen oder trinke ich eine Blood Vial? Schicke ich Überlebende zu einem Monster ohne Beine oder zu einer Ärztin, die mir den Zutritt zu ihrer Praxis verwehrt? Alles hat in diesem Spiel eine Konsequenz und das verleiht der Spielwelt ein derartiges Gewicht, dass jede andere Franchise dagegen sowas von abstinkt. Ich habe direkt nach Bloodborne den Witcher gespielt und ich bin der festen Überzeugung, dass ich den Witcher ohne Bloodborne abgefeiert hätte bis zum Geht-Nicht-Mehr... So aber konnte ich den Witcher einfach nicht spielen. Und das ist auch genau das, was in dem Kotaku-Artikel von Jason Schreier so gut beschrieben wird. Bloodborne versaut einem einfach andere, hochwertige und gute Spiele, weil es einfach erhaben über dem ganzen Rest schwebt.

Über das Setting habe ich noch gar nicht gesprochen. Als alter H.P. Lovecraft-Fan hatte mich das Setting sofort komplett bei den Eiern. Und als spätestens beim Besuch in den Forbidden Woods oder in Iosefkas Klinik (je nachdem, wo man zuerst hinkommt), das Ganze noch eine außerirdische Dimension erhält, sitzt man nur noch mit offenem Mund vor der Glotze und fragt sich die ganze Zeit, wohin das noch alles führen wird. Auch die Chalice-Dungeons sind mir jetzt im zweiten Durchgang ans Herz gewachsen. Während ich im ersten Playthrough die Kelchdungeons als nerviges Strecken der Spielzeit empfunden habe, betrachte ich sie jetzt als sinnvolle Ergänzung. Der Puzzlecharakter der Level gepaart mit teils unbekannten Gegnern und Fallen und dem absolut morbiden Design der Dungeons sind eine willkommene Abwechslung zum Story-Part. Mal abgesehen davon findet man bereits in den ersten (selbsterstellten) Dungeons immens gute Gems zum Pimpen der Waffen.

Ich besitze beide Guides im englischsprachigen Original und liebe es, darin herumzuschmökern und mir neue Ideen/Anregungen aus dem Gelesenen für meine nächste Session zu holen. Überhaupt bin ich sogar beim zweiten Durchgang sowas von DRIN in der Welt, dass ich fortwährend an das Spiel denken muss. Ja, ich weiß, totaler Fan-Boy-Überhype, aber was soll ich sagen? Das ist Fakt!

Ich schließe mal an dieser Stelle, weil bis hierhin sowieso keiner gelesen hat.

Die Ankündigung eines Nachfolgers wäre die Erfüllung meines größten Gaming-Traums. Ich hoffe, das passiert noch, bevor ich altersbedingt so 'ne Scheisse wie Arthritis oder Gicht kriege!

FEAR THE OLD BLOOD


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