Thema:
EA - Zum Töten freigegeben? flat
Autor: token
Datum:26.02.19 07:56
Antwort auf:ANTHEM - Bioware neues Spiel (der Messe?) von magus

Mich wundert ein wenig der Mangel an Kontroverse in der öffentlichen Wahrnehmung.
Elaborate?
Anthem war ein ziemlich gigantisches Vorhaben und inhaltlich ist auch ganz klar erkennbar dass die Ambitionen der Entwickler sehr ausladend waren.
Und es ist nicht schwer zu erkennen dass man diesen zu Release in vielerlei Hinsicht nicht gerecht wurde. Anthem macht es einem sehr einfach es zu kritisieren weil es nun mal viele recht dümmliche Fehler hat, weil es technisch in Dingen rumspacken kann die eigentlich ein Nogo sind, etwa dass Loot obwohl always on nicht auf dem Server gespeichert wird, sondern ein Verbindungsabbruch zum Verlust führt. Das ist krass, das kann man so eigentlich nicht bringen. Weil so Krempel wie etwa die Einblendung dass man wenn man nicht zur Gruppe anschließt ins Missionsgebiet gebeamt wird die Overheat-Anzeige komplett verdeckt, und damit einen grotesken Konflikt erzeugt aus Eile geboten, einem aber genau die Info verdeckt die man braucht wenn man eilt, die Temp der Düsen.
Man sieht sowas und muss aufrichtig und unkontrolliert loslachen weil es so absurd ist und man sich fragt wie man das selbst spielen kann und nicht instant die Problematik daraus erkennt.

Es ist gespickt mit Versäumnissen, Versäumnissen in Basics, Dingen die Fehlen, merkwürdigen widersinnigen Designentscheidungen und einigem mehr. Kurzum, für alle die dem Rant nicht abgeneigt sind ist Anthem sowas wie Weihnachten und Ostern in Personalunion, weil dessen Probleme nicht schwer zu erkennen sind und im Detail teils so albern sind dass man sie genüßlich mit humorvoller Häme auswalzen kann.

Okay. ABER!
Anthem ist damit nicht alleine. Eine Großproduktion die dann teils so eklatante Angriffsflächen hat das man sich nur wundern kann. Es ist nicht lange her, da ist ein Spiel erschienen mit ähnlich ausladenden Problemen. RDR2.
Das Ding ist nur, obwohl diese Angriffsflächen auch da waren, hat man nicht so getan als ob es deswegen nicht auch ausladende Qualitäten hätte. Mir persönlich haben die Probleme von RDR2 das Spiel richtig kaputt gemacht, ich hab mich mehr geärgert als es genießen können, es hat quasi nonstop meinen Spielspaß torpediert, meine beste Zeit mit dem Game hatte ich immer dann wenn ich eigentlich nicht das Spiel gespielt habe, sondern rumgestreunert bin und die Welt und Grafik bestaunt habe. Aber obwohl es meinen Spaß sabotierte wäre ich mit dem Klammerbeutel gepudert gewesen die Qualitäten nicht zu erkennen. Wie der Impact solcher Probleme ausfällt hängt dann halt davon ab wo man für sein Spielerlebnis die Schwerpunkte ausmacht, und so gibt es bei einem derartigen Gerangel aus awesomeness und dummer Scheiße folgerichtig eine Kontroverse darüber wie das Produkt erlebt wird.

Und Anthem finde ich ganz ähnlich von Grundproblematik, wir haben einen Katalog an Quatsch bei dem man vor Kopfschütteln ein Schleudertrauma bekommt. Aber EBEN AUCH, ausladende Qualitäten. Ja, ausladende, außerordentliche kiefersenkende Qualitäten. Ein Spielgefühl das absolut einzigartig ist. Welches Spiel hat denn schon so ein Setup? Allein die Möglichkeit zu fliegen, das ist so toll gemacht! Wenn man da mit seinem Vierertrupp wie ein Vogelschwarm unterwegs ist durch diese unglaubliche Welt, es hat so was eigenes sich in so einer Form durch diese riesige Welt zu bewegen, es ist einfach großartig. Das ist kaum zu beschreiben wie cool das ist in so einer Form in der Gruppe unterwegs zu sein, was da für eine Kette an kleinen Gänsehautmomenten entsteht. Etwa wenn man mal vorfliegt, einen Tauchgang einlegt, nach so einer Unterwasserhöhle rausschießt, sich auf einen Felsen manövriert, umdreht, und dann die Crew plöp plöp plöp einer nach dem anderen durch die Wasseroberfläche stößt und dann direkt in den Flug übergeht. So geil. Und diese Minimomente gibt es die ganze Zeit.

Weiter, ich schrob ja selbst dass ich nur mit Randoms gezockt habe wegen Konflikt Kampagne und Storytelling im Hub. Gestern wurde ich jedoch eingeladen und konnte mal in einer festen Gruppe spielen die meinen Krempel gerne nochmal gespielt hat und wir auch inner- wie außerhalb der Missionen vom Tempo sehr gut harmoniert haben. Und das war für mich auch nochmal eine immense Spaßaufwertung bei der weitere feine Details zu Tage traten. So haben wir gemerkt dass wir im Vorgehen so koordiniert waren dass es keinen echten Anspruch gab. Man hat ziemlich imba alles nur so weggemäht. Also mal auf Schwer gestellt. Und schon merkt man, das muss man halbwegs vernünftig als Team spielen, Feuer auf Streßherde konzentrieren, selbst einzelne Gegner halbwegs taktisch aus dem Spiel nehmen, also erst mit gemeinsamen Kanonenfeuer den Schild wegknacken, dann nerfen und dann mit Sprengungen der Drecksau mit Kombos die Synapsen rausklingeln. Alleine scheiterst du da gerne schon am Schild der sich regeneriert bevor du überhaupt an die Healthleiste kommst.

Weitere Details, wie etwa dass bei einer Ability Flächenattacken Standard sind, und bei der anderen Ability Punktattacken auf einzelne Gegner Standard sind, und man als Einzelspieler ein Loadout Fläche/Fläche relativ Rare ausgerüstet bekommt. Wenn man also einen ganzen Mob mit Kombos rasieren möchte klappt das besser wenn man diese im Team so aufstellt dass einer bei seinem Standardflächenangriff nerfed und der andere bei seinem Standardflächenangriff sprengt. Das macht total Spaß sich so zu ergänzen und ist jedes mal enorm befriedigend wenn man solche Damagedealer aus dem Gruppenspiel heraus setzt.

Auch die Welt ist Wahnsinn. Diese echte Vertikalität die trotz Ladepausen zu Höhlen (die im Gameplay eher selten aufkommen und kein ständiger Störfaktor sind) trickst überraschend wenig. Teils rast man 300 Meter eine Steinwand hoch und ist sicher, das führt zu nix, gleich kommt ein return to Schlauch Kniff, aber nix da, dann steht man da oben, schaut in diese vom Scope her unheimlich beeindruckende Schlucht und es geht dort weiter. Supergeil.
Auch die Setpieces in Höhlen innerhalb von Missionen, richtig episch, die Welt ist herausragend, inszeniert Größe und Höhe überragend, und ist verschwenderisch wie auch stilsicher modelliert. So dass man teils echt nur geht und kuckt und awwwwwww.

Was Anthem da treibt ist vom Spielgefühl total erfrischend, mir würde jetzt aus dem Stehgreif nichts einfallen was ein ähnliches Grunderlebnis erzeugt. Und Aspekte dieses Grunderlebnisses sind einfach fucking gut umgesetzt. Und diese sind dann so ein Pfund dass zumindest ich für mein Spielerlebnis sagen kann, Alter, das macht so Bock, das macht soooooo Bock, ich sehe die Fehler, ich sehe die Dummheiten, aber sie verderben mir nicht den Spaß. Meine Schwerpunkte liegen so dass ich mich mit den offensichtlichen Problemen gerne arrangiere.

Und nun kurz zurück zu RDR2. Genau da sieht man diese Kontroverse zwischen Spielern, eine Kontroverse die folgerichtig entsteht wenn außerordentliche Qualitäten auf außerordentliche Versäumnisse treffen. Wo ist diese Kontroversen bei Anthem? Ich sehe sie hier zum Teil im Forum, aber im öffentlichen Raum scheint der Kurs Scheiße vom Arsch mehr oder minder die unisono vorherrschende Meinung. Warum ist das so? Liegt es an EA als Publisher? Ist das ein Glücksspiel? Ich zock jetzt seit über dreißig Jahren Games, ich sehe die Fehler, aber ich sauf mir Anthem auch nicht schön wenn ich sage, da ist ein Katalog von Stärken die tatsächlich herausragend sind. Das kann man so spielen dass es unglaublich unterhaltsam ist. Ich glaube zwar nicht dass das Endgame kurz oder mittelfristig irgendeine Form von Nachhaltigkeit und Langzeitmotivation entwickeln kann, dazu liegt einfach zu viel im Argen.
Aber mit der Kampagne kann man sich schon recht lange und unterhaltsam auf Trab halten.

Und so muss ich als jemand der im Vorfeld viel geweint hat weil die Versäumnisse so viel von den Dingen die ich von dem Spiel erwartet habe nicht kompetent bedienen mittlerweile doch die Werbetrommel rühren.
Kinners, wenn euch die Vids irgendwie anmachen dann lasst euch von dieser Form von einhelliger Kritik nicht verunsichern. Kritik ob der Angriffspunkte ist mehr als gerechtfertigt, aber sie ist nicht fair in ihrem Gesamturteil. Sie gibt den Stärken des Titels nicht das Gewicht und den Raum den sie verdient haben. Da ist auch enorm viel an Qualität, _wirklich_ enorm viel. Je nach dem was man sucht und worauf man sich einlassen kann ist Anthem eine einzigartige Erfahrung mit der man unglaublich viel Spaß haben kann. Ich habe diesen jedenfalls.


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