Thema:
Mutant Year Zero flat
Autor: token
Datum:25.12.18 12:19
Antwort auf:Durchgezockt Nr. 36 von wantan

Das war zum Jahresabschluss mal eine feine Überraschung und konnte meine Freude an rundenbasierten Strategiespielen in Windeseile wieder neu entfachen, nach dem diese mit dem mir zu sperrigem und komplexen XCom2 ein wenig erkaltet war.

MYZ ist so aufgebaut dass man ein festes 3er-Team frei über eine Oberwelt steuern kann. Die Welt ist custom design ohne RNG-Krempel, man hat mehr oder minder feste Level. In so einem Level kann man seinen Trupp frei bewegen, dabei Ressourcen sammeln und Truhen öffnen und Ausgänge zu anderen Leveln suchen, wovon es mehrere geben kann. Hat man einen Level betreten wird dieser fortan auf der Oberweltkarte aufgedeckt und ist dann auch per Schnellreise ansteuerbar. Hierbei bleiben besiegte Gegner besiegt, geöffnete Truhen geöffnet, bei den Ressourcen bin ich mir nicht ganz sicher ob diese auch mal hier und da spawnen oder aufgesammelt bleiben, vermute aber letzteres.

Kommen wir zum Kampf, bewegt man sich in so einem Hub kann man die Gegner und ihre Sichtkreise sehen. Solange Gegner einen nicht sehen und man sie auch nicht mit einem lauten Schuss auf sich aufmerksam macht, bleibt das Spiel in Echtzeit. Hierbei kann man nun entweder Gegner gleich umschleichen, oder seinen Trupp schon mal einzeln in Position bringen und jederzeit selbst in den turn based Angriffsmodus wechseln und diesen auch abbrechen, solange man nicht entdeckt wurde.

Greift man an, wird einen so zumindest der Angegriffene bemerken und das Spiel bleibt in turn based bis dieser besiegt ist. Werden im Kampf andere Einheiten auf einen aufmerksam schalten sich diese aktiv ein und auch hier gilt, wir gehen automatisch wieder in den Free Roam wenn alle Einheiten erledigt sind.

Dieser mechanische Aspekt wird im weiteren Spielverlauf zunehmend wichtiger, einerseits kann man im Free Roam durch Gebiete stealthen ohne entdeckt zu werden um in Gebieten mit zu starken Gegnern paar Truhen zu öffnen und so etwa gutes Gear einzuheimsen. Hierbei sollten Stealthhasser aber nicht aufhören zu lesen, denn Stealth ist hier simple as fuck, man sieht die Sichtkreise, die Gegner bewegen sich berechenbar und langsam, es ist absolut klar wo man ohne Gefecht durchkommen kann, und wenn, dann ist es sehr sehr einfach und transparent wie man gehen muss. Spielerisch wichtiger ist eher zu schauen wo man einzelne Einheiten isoliert ausschalten kann um so das Feld der Gegner schon ein wenig auszudünnen ohne dabei gleich die ganze Horde aufzuwecken. Ist dieses ausdünnen zu Beginn noch vernachlässigbar hat man es im weiteren Verlauf deutlich einfacher wenn man so vorgeht und ganz zum Ende hin fehlt mir die Fantasie um zu sehen wie manche Kämpfe überhaupt schaffbar sein sollten wenn man das nicht macht und direkt mit Pauken und Trompeten in die Party platzt. Diese taktische Komponente spielt in MYZ eine zumindest mächtige Rolle.

Die Kämpfe selbst geben sich mechanisch keinerlei Blöße, die Fähigkeiten und Vorgehensweisen der Gegner sind schnell verstanden, der Katalog an Problemstellungen ist recht kompakt und hat dennoch schöne Varianzen, MYZ wird weder schachartig komplex, noch ist es trivial langweilig sondern trifft einen sehr unterhaltsamen Sweet Spot in dem sich auch Noobs auf dem niedrigen Schwierigkeitsgrad zurecht finden. Höhere Schwierigkeitsgrade bieten dann mehr Herausforderungen an und erfordern bessere Planung und housekeeping von Ressourcen. Auf dem unteren SKG werden etwa nach einem abgeschlossenen Kampf alle Gesundheitsleisten geheilt, auf höheren müssen dafür Medipacks genutzt werden, als ein Beispiel, das schon einen deutlichen Unterschied macht. Ich wollte es chillig normal haben, was nicht schwer war, und doch hatte ich hier und dort ein wenig zu knuspern wie ich vorgehen könnte und hab mich auch diverse Male verkaspert und bin dann grandios gescheitert.
Das ist aber alles nicht wild, zumal man im Spiel auch jederzeit speichern kann, und so bspw. auch mal etwas ausprobieren kann und dann Neuladen wenn eine Idee nicht aufgeht.

Des weiteren gibt es die Möglichkeit Waffen aufzuwerten und so ihre Stats zu verbessern, wie auch die Charaktere in einem Skilltree zu leveln. Letzteres bringt bei der eigenen Truppe diverse einzigartige Fähigkeiten zu Tage, welche dann auch maßgeblich bestimmen wie man seine Zusammenstellung wählt so dass sie sich gut mit den eigenen Vorgehensweisen ergänzt. Macht Bock, bringt Varianzen rein, bleibt aber alles total überschaubar, die Art wie MYZ über alle Komponenten hinweg Anspruch und Zugänglichkeit balanciert hat mir wirklich _hervorragend_ gefallen, erinnert sehr an Spiele alter Schule die aus ihren Mechaniken keine Raketenwissenschaft machen, und einen dennoch ernst nehmen und nicht den Arsch hinterhertragen.

Kommen wir zu den Pro und Contras.
Das Spiel ist eher klein und dürfte so zwischen 10 und 20 Stunden in Anspruch nehmen, die Spielzeit hat sich für mich auch ganz richtig angefühlt und es hat nach diversen +50-Stunden Krachern dieses Jahres einfach gut getan hier mal kein künstlich aufgeblasenes Epos vorgesetzt zu bekommen.

Der absolute Hingucker ist das Chardesign, das ist einfach Weltklasse und traut sich mal wieder was. Fährt einerseits die Maskottchenschiene, ist aber alles andere als kindgerecht, supergeil. Früher war sowas Usus und ich habe es als Kind geliebt etwa eine Ballerbiene zu steuern, mir scheint auch das MYZ nicht ganz allein auf weiter Flur steht sondern es schon einen kleinen Trend Richtung solche Maskottchen gibt.

Nicht so toll ist die Grafik, sie macht halt ihren Job und nicht alle Level sehen gleich aus, aber das ist es dann auch. Man sieht irgendwie nichts was erklären könnte warum das Spiel nicht in 60fps laufen kann...auf einer PS3. Dass es dann nicht mal fluffige 30 auf den Luxusversionen aktueller Hardware hinkriegt, nun denn, irgendwo geschenkt bei dem langsamen Gameplay, irgendwo aber dennoch ein Stück weit albern.

Was ich mir zudem gewünscht hätte wären paar kleine QoL-Features die mir gefehlt haben. Auf der Oberweltkarte sieht man etwa nicht ob ein Hub schon vollständig gecleared ist, oder ob da noch Gegner und oder Ressourcen versteckt sind. Fand ich persönlich unnötig, speziell wenn man mal ein Hub links liegen lässt weil Gegner zu stark, und man sagt sich, da komm ich später wieder. Sind die Gegner zu stark sieht man das auf der Karte durch ein Symbol, ist man dann auf Level ist das Symbol einfach weg, und man fragt sich welcher Hub das denn war wo man noch mal reingehen wollte. Und generell hab ich mir dann bei solchen erneuten Besuchen eines Levels eine Sprinttaste gewünscht, das ist doch schon aufreizend langsam in welchem Tempo sich der Trupp da bewegt, speziell wenn ein Level schon weitestgehend gecleared ist und man noch mal kucken möchte.

Des weiteren hätte ich gerne investierte Ressourcen in Waffenupgrades wieder zurückdrehen können, wie auch den Skilltree resetten können. Hier sammelt man im Spiel schon paar Erkenntnisse wo man dann denkt, ach je, das hätte ich mal besser anders gemacht. Das sind keine Sackgassen, aber mich ärgert sowas ein wenig wenn ich merke dass ich etwas doch lieber anders gemacht hätte.
Eine hierbei wichtige Erkenntnis mal im Spoiler falls jemand genau sowas mag:


Mein Fazit:
MYZ war ein Game bei dem es bei mir quasi instant klick gemacht, dieses Gefühl "boah, das macht ja voll Bock!" innerhalb weniger Minuten da war, und das komplette Spiel diesen Eindruck auch bestätigt hat. Unterm Strich fehlt dann aber dennoch ein Stück weit das Geniale, das wirklich Besondere. Die Basis für einen turn based Klassiker ist da, es macht so gut wie nichts falsch, macht alle Hausaufgaben, ist erfrischend, und ich hab die Zeit mit dem Titel auch sehr genossen. Ich kann es wirklich jedem der auch nur entfernt was mit dem Genre anfangen kann wärmstens empfehlen. Aber MYZ erfindet nichts neu, bedient das Genre äußerst kompetent und beschert einem ein Dutzend Stunden schöne Unterhaltung, lässt sich aber auch einiges an Luft nach oben für ein Sequel oder DLC. Ich hoffe sehr dass es genug Erfolg hat um in dieser Form nachzulegen.


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