Thema:
Re:Boah flat
Autor: chifan
Datum:20.11.18 11:34
Antwort auf:Re:Boah von token

>>Was du machst ist im Endeffekt einer Figur wie in einem Film, Buch oder Theaterstück eine Rolle zu geben und diese danach agieren zu lassen. Der Punkt ist nur, dass du eben nicht der Autor oder Regisseur von dem Stück bist. Ich habe in GTA mit Trevor nicht anders gespielt als mit Michael. Wozu auch? Ich bin nicht die Figur Trevor, sondern die Figur Trevor oder Michael sind letztlich der digitalisierte chifan. Und aus diesem Grund ist es völlig egal mit welcher Figur ich Randale mache, wenn ich da Bock drauf hätte. Rein von diesem Gesichtspunkt aus, stellen die drei Charaktere deshalb auch keinen Mehrwert dar. Der liegt für mich ganz woanders. Und aus diesem Grund sehe ich da auch keinen wirklichen Sinn, die Geschichte auf mehrere Leute im Camp zu verteilen, außer um einer klischeebehafteten Trennung zwischen Psycho und Ehrenmann gerecht zu werden.
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>Ich denke es gibt unterschiedliche Konzepte. Zum einen das, dass ich als Spieler innerhalb einer geschriebenen Rolle agiere und mich innerhalb der Grenzen des Spiels bewegen kann, reduzierte Interaktionsmöglichkeiten habe. In vielen Spielen besteht meine einzige Handlungsoption darin Gegner zu erschießen. Dort kann ja nichts schief gehen, ich bin wer ich bin, das kann ein muskelbepackter US-Marine, eine Amazone oder auch ein Maskotchen sein. Das ist halt meine Figur. Und ich spiele das Spiel, ein Spiel das nichts damit am Hut hat dass ich Entscheidungen treffen könnte.
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>Und dann das Konzept dass ich Entscheidungen treffen kann. Auch hier wird mein Handlungsrahmen reduziert und die Freiheit vom Spiel illusiert. Gerne genommen etwa durch ein Dialogsystem mit mehreren Antwortmöglichkeiten.
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>Das Problem von RDR2 ist schlichtweg dass es mit dem Ehrsystem offensiv eine Moralkomponente im Spiel integriert die durch meine Handlungen gesteuert wird.
>Wenn ein Spiel diese Karte spielt ist es eigentlich normal dass sich auch der Rest des Spiels harmonisch in diese Komponente fügt. Da müssen wir auch nicht Bethesda-RPGs rauskramen. inFamous ist ein storylastiges OW-Actionspiel. Es berücksichtigt aber dass es eine Moralkomponente hat und baut seine Missionen entsprechend so auf dass diese mit dieser Komponente ineinander greifen.
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>Wohingegen RDR2 beim Questing im generellen und auch beim roten Faden genau einen einzigen Verlauf vorsieht. Als Ehrenmann ist die einzige Entscheidung die ich treffen kann jene, bestimmte Aktivitäten einfach nicht zu spielen um nicht mit meiner Rolle zu brechen. Aber spätestens in der Story funktioniert das nicht mehr, weil dann geht das Spiel nicht weiter. Dabei ist es auch hier so dass die Skriptschreiber sichtbar kämpfen und nun im Hintergrund in die Metasysteme des Spiels eingreifen, dieses Moralsystem auch mal abschalten so dass man ohne moralische Negativwertungen Gesetzeshüter abknallen kann, aber auch nicht immer, manchmal ist das System auch innerhalb von Missionen aktiv. Es ist alles sehr intransparent.
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>Die Idee hier ist schlichtweg dem Spieler die Möglichkeit zu geben in character zu zocken statt selbst solche Widersprüche zu forcieren. Missionen auch logisch zu den Eigenheiten der verfügbaren Charaktere aufzuteilen und damit gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Das Moralsystem als solches würde ich bei so einer Herangehensweise ausbauen, das braucht es nicht, so wie ich es auch generell aus RDR2 entfernen würde, weil, es funktioniert nicht und erzeugt Widersprüche. Die Alternative wäre Handlungsstränge aufzufächern statt nur einen einzigen zu haben, und dort wo moralische Entscheidungen getroffen werden, den Spieler diese auch treffen zu lassen, statt ihn zu zwingen out of character zu spielen.
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>>Du hattest in einem früheren Post mal die Szene von Micahs Befreiung als Beispiel für den Immersionsbruch aufgeführt. Ich fand diese Szene nicht inkonsistent zu meinen vorherigen Handlungen, in denen ich immer entschied Personen am Leben zu lassen. In dieser Situation wollen die Gesetzeshüter meine Figur über den Haufen schießen. Was würdest du denn, wenn du tatsächlich in dieser Situation stecken würdest, anderes tun als dich zu verteidigen und eben selbst zu schießen?
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>Das was ich getan habe und was zu einem Missionsabbruch geführt hat. Das Gefängnis steht am Ortsrand, also da einfach weg und Flucht.
>Dann habe ich gesehen dass das so nicht geht. Also bin ich bei Micah geblieben, wollte aber nicht mitballern. Dadurch wird Micah erschossen. Und wieder Missionsabbruch.
>Es gibt nur diese eine Option.
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>Ganz am Anfang dachte ich halt auch noch dass diese ganzen Systeme im Spiel auch im Hintergrund entsprechende Freiheiten und Optionen anbieten, klar, weil wenn nicht, wozu sind sie dann da? Erst im weiteren Spielverlauf hab ich verstanden dass wirklich alles in RDR2 smoke&mirrors ist, dass da einfach überhaupt nichts ist.
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>Das mag dich jetzt nicht persönlich stören. Mich persönlich hat auch die Szene in Last of us nicht gestört, was auch nur daran lag dass das wozu mich das Spiel gezwungen hat zufälligerweise auch die Entscheidung war die ich in dieser Situation selbst getroffen hätte.
>Aber offensichtlich haben viele Spieler damit gut begründete Probleme gehabt, und man hätte diesen Aspekt auch eleganter lösen können, also berechtigte Kritik.
>So wie auch die Kritik am Moralsystem berechtigt ist, auch hier fällt mir kein Spiel ein, nicht ein einziges, was ein Moralsystem integriert es aber innerhalb des Questings so plump ignoriert. Ich meine, abschalten? Und dann wieder anschalten? Und manchmal nicht abschalten? Das ist eine designtechnische Bankrotterklärung.


Warum gibst du eigentlich dem Moralsystem so viel Gewicht? Ich sehe das überhaupt nicht als spielbestimmendes Element, sondern wie den Campausbau, die Waffen- oder Pferdepflege nur als kleine Stellschraube um die Welt etwas lebendiger zu machen und eine gewisse Tiefe vorzugaukeln. Und hier sehe ich eben auch den Unterschied zu infamous, wo die Wahl zwischen Gut und Böse direkte Auswirkungen hat und eben auch Teil der Geschichte ist. In so einem Fall wäre ein Moralsystem wie in RDR2 eine Katastrophe und würde das Ganze ad absurdum führen.

Aber in RDR2 hat die Moral-Komponente doch keinerlei spielerische und inhaltliche Relevanz. Man bekommt in den Läden etwas bessere Preise, die Reaktionen der NPCs sind etwas anders (zumindest bis Kapitel 4). Das war’s. Und das wird auch nicht anders kommuniziert. Hätte man das Ganze weglassen können? Ja klar. Aber es schadet auch niemanden, da es auf Grund von mangelnden relevanten Auswirkungen eben auch völlig vernachlässigbar ist.

Aber du bist da vielleicht einfach anders motiviert beim Spielen und benötigst einen Anreiz für dein handeln. Ich brauche bspw. keine Belohnung dafür um NPCs am Leben zu lassen. Ich treffe diese Entscheidung nicht auf Grund des Moralsystems.

Und unabhängig davon, wäre es wirklich in character zocken, Arthur als Pazifisten oder Ehrenmann durch den Westen reiten zu lassen?


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