Thema:
Re:Ich habe mit zwei der Game Directors über die Gewalt. flat
Autor: suicuique
Datum:18.06.18 14:53
Antwort auf:Re:Ich habe mit zwei der Game Directors über die Gewalt. von token

>>Ich muss deine Antwort natürlich so akzeptieren, bin aber sehr verwundert ob dieser reduzierten Sichtweise. Allein dass Du meinen Einwurf von Interaktion auf Immersion zurechtstutzt (was GÄNZLICH anderes ist), finde ich ... unglücklich.
>>
>Dann möchte ich hier aber auch ein wenig ergänzend erklären.
>Ich gehe jetzt mal davon aus dass unser Reibungspunkt ist, dass du zwischen Interaktion (ich drücke Knöpfe auf einem Gamepad) und einer reinen Immersion ohne Interaktionskomponente einen qualitativen Unterschied ausmachst, und ich diesen verneine.
>
>Ich verneine ihn, weil das für mich alles zum großen Werkzeugkasten der Bewusstseinsmanipulation eines Erzählers gehört, und heruntergebrochen darauf was er damit in dir auslöst im Grunde die gleichen Erlebniswelten triggert.
>
>Mal kurz ausgeholt, was ist eigentlich Immersion, was ist Empathie, wie funktioniert sowas überhaupt, was passiert da rein mechanisch.
>Wie kann es gehen dass ich die Perspektive eines anderen Menschen verstehen kann?
>Offenbar ist der Mechanismus dahinter so plump wie naheliegend. Ich simuliere das was ich über andere weiß oder beobachte anhand meiner eigenen Ich-Perspektive, ich tue so als wäre ich er. Das bemerkenswerte hieran ist, dass sowas lowlevel permanent im Gehirn am Start ist. Wir haben unser Neuronennetzwerk im Hirn, neben den Neuronen die unser eigenes Handeln und Denken steuern gibt es aber noch die Spiegelneuronen. Und die machen nichts anderes als permanent beobachtete Handlungen dritter so zu simulieren, als seien es unsere eigenen. Der Verdacht dass genau hier die Basis von auch höherer Empathie begründet liegt, liegt nahe und bestätigt sich durch diverse Krankheitsbilder. Was ist beim Autisten kaputt, dem dieses Einfühlungsvermögen abgeht? Die Spiegelneuronen. Und auch die "Simulation" bestätigt sich durch ein anderes Krankheitsbild, nämlich bei Menschen die diese Simulation nicht als Computing für das Unterbewusstsein abtrennen können, die können nicht anders als alles was um sie herum passiert nachzuäffen.
>
>Es findet also IMMER eine Form von Ich-Ausführung statt, vollkommen unerheblich ob ich für diese einen Knopf gedrückt habe, oder nicht. Weiter, das Drücken eines Knopfes ist eine Handlung die abstrakt ist, sie hat nichts mit der Handlung im Spiel zu tun. Entsprechend auch Stilmittel bei etwa QTE um diese Abstraktion zu reduzieren, so etwa bei God of War, wo wir beim Ausdrücken der Augen nicht Dreieck drücken sollen, sondern auf die zwei Thumbsticks, um unsere Joypad-Handlung näher an die eigentliche Greueltat zu führen. Diese Stilmittel die eben solche Abstraktionsschichten abreißen und den Rezipienten stärker an das Ich-Erlebnis zu bringen sind jedoch vielfältig, man nehme etwa den Ich-Erzähler aus dem Buch oder den Kameramann der am Strand von Omaha-Beach seine Cam ins Wasser taucht und wieder raus zieht, so dass der Zuschauer im Kinosaal wirklich denkt er kämpfe ums Überleben und ihm flögen die Kugeln um die Ohren.


Ja, aber bügelst Du da die Unterschiede nicht extrem glatt?
Beim Film wird die Perspektive, das Pacing, die Handlung dem Zuschauer komplett diktiert.
Alles Aspekte die in einem Spiel (für gewöhnlich) immer noch der Spielerentscheidung unterliegen (on rail sequenzen und QTEs aussen vor, die sehen sich nicht ohne Grund der Kritik von mangelhafter Interaktion und zu starker filmischer Ausrichtung ausgesetzt).


Ich bin ein großer Gegner davon Sachverhalte zu sehr "runter zu brechen".
Man neigt dabei die feinen Details zu übersehen die aber entscheidend für die Erfahrung sind.
akademisches Beispiel: auf quantenebene gibt es nur bedingt viel Unterscheidung zwischen einem (sehr) großen Sack Kartoffeln und  mir. Aber ich hoffe doch sehr dass mehr hinter mir steckt als diese Betrachtung! :)

Genauso wie jedes Spiel "im Endeffekt" mehr als nur bissel Knöpfchendrücken ist, finde ich nicht dass du dieses Knöpfchendrücken so rauskürzen kannst aus dem Medium Spiel wenn es um Rezeption geht.

Da gehe ich schlicht nicht mit. Sorry :)

>Ich kann in all dem keine qualitativen Unterschiede erkennen. Das einzige wo jetzt noch das Videospiel durch Interaktion einen qualitativen Unterschied zur sagen wir mal "passiven" Immersion erzeugen kann, ist der Akt der Willensbekundung. Wenn ich nicht auf diesen Knopf drücke, dann wird die Handlung nicht vollzogen. Ich bin es also der diese Handlung vollzieht. Richtig?
>Und auch hier denke ich, nein. Du hast keine Handlungsfreiheit, sondern vordefinierte Handlungsräume. Und meist ist es so, dass es in so einem Handlungsraum nicht mal einen Entscheidungsraum gibt. Alles ist klar vorgegeben.


Das wird mir jetzt, da bin ich ehrlich, zu esoterisch.
Wenn Du das Ganze soweit runterbrichst warum nicht die ultimative Frage stellen was Freiheit ist. Determinismus Determiniertheit mal als Schlagwort in die Runde geworfen.
Das ist nicht auf Spieleerfahrungen beschränkt und nach meinem Wissensstand ist im Bereich der Mathematik immer noch kein Zufallsaspekt gefunden worden. Und diese ist ja für unser Verständnis der Welt nicht ganz unwesentlich ;)

gruß


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