Thema:
Re:Ich habe mit zwei der Game Directors über die Gewalt. flat
Autor: token
Datum:18.06.18 13:07
Antwort auf:Re:Ich habe mit zwei der Game Directors über die Gewalt. von suicuique

>>Hier erkenne ich mehrere Probleme. Zum einen ein nicht belastbares Bauchgefühl als Gradmesser.
>
>Ich habe keine allgemein gültigen Aussagen diesbezüglich getroffen und es explizit als Anekdote gekennzeichnet.
>Und dass jeder von seinem Umfeld beeinflusst wird willst du mir jetzt bitte nicht allen Ernstes als "Problem" verkaufen oder? :)
>

Nein, das für sich nicht, weil das hat ja jeder. Wenn man sowas als Anekdote oder mögliches Indiz begreift ist ja auch alles gut, es reicht halt nicht als Basis für Folgerungen. Dementsprechend hinterfrage ich oben ja ganz gezielt die als gegeben betrachtete Prämisse dass es überhaupt ein Problem gibt. Dieses hätte ich halt gerne definiert, und mir fehlt die Fantasie wie man einem TLoU eine Vorwurfskonstruktion aufhalsen kann, ohne hierbei an den größten Games der Industrie vorbei zu kommen. Und dabei geht es mir weniger um what about xy, es geht mir viel mehr darum, wenn man denn ein Problem in Gewaltinszenzierungen erkennt, dann sehe ich TLoU wirklich nicht als das Game das sich da erklären müsste. Sondern eben als eines der ganz wenigen Games das Gewalt eben NICHT verherrlicht.

>Hier muss ich widersprechen.
>Es gibt dazu auch IIRC ein schönes Interview mit dem Regisseur von American History X, der ob der Rezeption überrascht war und IIRC aussagte, dass er den Film angesichts dieser nicht nochmals SO drehen würde.
>
>Kommunikation (ein veröffentlichtes Werk ist nichts anderes) MUSS immer beide Seiten berücksichtigen:
>Was man sagen will
>und
>Wie es verstanden/aufgenommen wird.
>

Ich betrachte Kunst nicht als Kommunikation/Botschaft sondern als eine Art Projektionsfläche. Diese Fläche lässt bestimmte Projektionen zu und bestimmte Projektionen lässt sie nicht zu. Und da wo sie diese nicht zulässt, wird es dennoch niemanden davon abhalten diese Projektionen dennoch zu tätigen, nur gerät er dann argumentativ in Erklärungsnot.

Ich sehe im letzten Aspekt aber nichts was den Künstler zu irgendwas verpflichtet, das ist immer seine Entscheidung wie er seine Idee in die Welt stellt. Wenn jetzt alle Künstler ihre "Botschaften" mit der kompletten Abwesenheit von Subtilität in Aronofsky-Manier praktizieren würden wäre keinem geholfen. Aronofsky kann das natürlich gerne so handhaben, es gibt sicher ein Publikum für die "Lehrstunde", es gibt aber auch ein Publikum für die "Gesprächsrunde" und ein Publikum für den "Denkanstoß".

>Aber darum geht's mir doch gar nicht.
>Mir geht es darum dass spielerische Zwänge (Levelstruktur, "Boss"mechaniken, Story "weiterspielen") ein ganz anderes Korsett zur Rezeption vorgeben als es bei einem nicht interaktiven Medium der Fall ist.
>Hier muss ICH Gewalt ausüben anstatt dieser (wie im Film) nur ausgeliefert zu sein.
>Ist dieser Unterschied für Dich so unerheblich?
>

Ich erkenne keinen Unterschied. Der Film hat Stilmittel um den Zuschauer zum Opfer zu machen das selbst in Gefahr ist, ihn zum Voyeur zu machen der anwesend ist, zum Täter zu machen der das Messer ins Herz schiebt.
Immersion ist kein Stilmittel des Videospiels sondern so alt wie Erzählungen am Lagerfeuer. Schau mal auf Saving Private Ryan, der Film macht eigentlich nichts anderes als das Publikum von Rolle zu Rolle zu jagen und mit dieser Immersion zu spielen.

>(persönliche Anekdote am Rande: die Story von GTA V habe ich bis zur Folterszene gespielt und nicht eine Sekunde weiter, weil mir das Spiel keine Möglichkeit gegeben hat die Folter zu verweigern . Selbst ein "Game Over" hätte ich akzeptiert)
>

Ha, Rockstar, denen würde ich Fragen zum Umgang mit Gewalt deutlich eher stellen als ND, und das nicht mal wegen dieser Szene. Darüberhinaus ist Skripte spielen halt nichts was du aktiv gestaltest sondern etwas das vom Skript vorgegeben wird. Da ist TLoU eh ein populäres Beispiel wegen seinem Ending, ich persönlich habe kein Befremdungsgefühl wenn ich in einem Game nicht die Geschichte schreibe sondern der Geschichte beiwohne.

>>IMO ist es genau umgekehrt, und der eigentliche Vorwurf resultiert daraus dass man in seiner eigenen Heuchelei entlarvt wird, und das nicht möchte. Weil Spiele Spaß machen sollen. Lass mich in Ruh mit dem was ich da tu. Ein ähnlicher Block sind meines Erachtens nach die Jagd-Mechanismen in vielen Spielen welche dann die Rehkitz-Diskussion Triggern, och nö, animal kill, die Schweine, 900 brachialst perforierte Menschengegner im gleichen Spiel sind hingegen usual business. Und im Anschluss das Salami-Brötchen.
>
>Diese Sicht gibt es sicherlich. Aber jegliche Kritik an der Darstellung darauf zu reduzieren halte ich für falsch.
>

Ich will die gar nicht darauf reduzieren. Ich verstehe halt nur nicht wie man gerade auf die Idee kommt bei TLoU ein Problem im Umgang mit Gewalt auszumachen. Das hat für mich tatsächlich ein wenig von Realsatire.
Denn wenn man TLoU kennt weiß man, hier wird nicht schwarz und weiß gemalt, es gibt nicht den Guten und nicht den Bösen, es gibt Menschen, Motive, Überlebenswille und gesellschaftliche Orientierungslosigkeit, Chaos halt.
Es gibt einen Grund für die Gewalt, und die gezeigte Welt schockt nicht weil die Gewalt explizit ist, sie schockt weil Gewalt in dieser Welt zum unausweichlichen Alltag geworden ist.
Das ein Videospiel sowas überhaupt zu zeigen schafft ist bemerkenswert, darin ein Problem auszumachen, speziell vor dem Hintergrund wie die Industrie mit Gewalt im Medium umgeht...ich fall da wirklich ein wenig vom Glauben ab.


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