Thema:
Ist alles eine Frage des Preises, außer bei Lootboxen flat
Autor: JPS
Datum:19.11.17 16:23
Antwort auf:Lootboxen - Wo zieht ihr eure Grenze? von FS

Was (Day1-)DLC, Season-Passes, etc. angeht wirken sich diese nur darauf aus, wann ich das Spiel kaufe, da man durch einfaches Warten auf ein Komplett-Paket oder eine Preissenkung immer auf ein nach eigenem Empfinden angemessenes Preis/Leistungsverhältnis kommen kann.

Wann der gewünschte Stand erreicht ist hängt vom Spiel ab. Ein Zelda BOTW kann ich problemlos beim Launch kaufen ohne mich über den Tisch gezogen zu fühlen. Ein Season Pass für 20 Euro ist bei einem solchen Ausnahme-Titel auch kein Problem, sondern im Gegenteil sogar etwas das ich gerne kaufe, um die Entwicklung solcher Spiele zu fördern und weitere Zeit mit dem Spiel verbringen zu können.

Wenn mich das Spiel so vollumfänglich überzeugt hat, schaue ich auch bei Preis und Umfang des DLC nicht mehr so genau hin, wobei ich es aber natürlich trotzdem als positiv empfinde, wenn ich für mein Geld auch einen angemessenen Gegenwert bekomme. Bei einer extremen Enttäuschung würde ich beim nächsten Spiel des Entwicklers sicher genauer überlegen.

Auch die Far Cry und Assassins Creed Reihen fallen in dieses Schema, weil die Kombination aus fantastisch gestalteten und großen Welten und guter Steuerung für mich das optimale Open World Gefühl darstellen, das vom Großteil der Branche (Ausnahme BOTW) nicht in dieser Form erreicht wird.

Hier kommt dann aber noch der Faktor hinzu, dass ich für Download-Only mit DRM generell weniger zu zahlen bereit bin. Das führt dazu, dass ich für die Gold-Versionen (also Deluxe-Version + Season Pass) nur 50-70 Euro zahle und mein Limit für weniger umfangreiche Spiele ohne Season Pass eher bei 30-40 Euro liegt. Dank Keyhändlern ist dieser Punkt am PC oft schon beim Launch erreicht - ich nutze also das Schlupfloch von Keys aus wirtschaftlich schwächeren Regionen um trotzdem nicht warten zu müssen. Gäbe es diese Alternative nicht, würde ich aber definitiv abwarten.

Dieses Abwarten betreibe ich auch bei allen Spielen, die mich nicht ganz so stark ansprechen. DLC führt bei diesen Spielen einfach dazu, dass ich länger warten muss und teilweise dadurch auch während des Abwartens das Kaufinteresse verliere. Selbst dann, wenn der DLC eigentlich überflüssig ist führt der Wunsch nach dem vollständigen Umfang dazu, dass das blanke Hauptspiel an Reiz verliert - hier schaden sich die Publisher in meinem Fall also eher selbst, wenn sie mir mit unsinnigem DLC trotzdem das Gefühl geben, dass das Hauptspiel nicht mehr den vollständigen Preis wert ist.

Nicht mehr über den Preis und Kaufzeitpunkt kann ich es jedoch bei Spielen steuern, die auf Lootbox-Modelle setzen, da diese als Immersions-Killer durch die nervige, aufdrängende Integration das Spielgefühl kaputt machen und sich daran auch nichts ändert, wenn das Spiel nach 1-2 Jahren auf 10-20 Euro gefallen ist.

Außerdem machen Suchtmechanismen, die der Gewinnsteigerung und nicht der Motivation dienen, für mich auch den Publisher/Entwickler und das Spiel unsympathisch, so dass ich das ich unabhängig von den oben beschriebenen Auswirkungen extrem wenig Lust verspüre das mit meinem Geld zu fördern.

Solche aufdringlichen Lootboxen und auf Gewinn-Steigerung optimiertes Balancing sind zum Glück im Singleplayer-Bereich noch eher unüblich, was aber vermutlich mehr am Spielprinzip als an den tatsächlichen Interessen der Publisher liegt - daher kommt IMO auch der Trend zum Multiplayer und zu Games as a Service, da man nur dort solche Methoden einfach umsetzen kann.

"Kosmetische Inhalte" haben z.B. ohne den Multiplayer-Aspekt und bei einem Singleplayer-Spiel, mit in der Regel deutlich geringerer Spielzeit, nicht genug Anziehungskraft um dafür eine zu aufdringliche Integration für den Entwickler/Publisher zu rechtfertigen - der Schaden für das Spielgefühl und die Review-Bewertungen und Verkaufszahlen wäre größer, als die darüber zu erzielenden Einnahmen. Daher gibt es die kosmetischen Inhalt im Singleplayer-Modus eher in Form von normalem DLC.

Man kann in ein typisches Singleplayer-Spiel auch kaum "Pay 2 Win" einbauen, ohne dabei so negativ in den Schwierigkeitsgrad und das Balancing einzugreifen, dass man damit bereits in der Review-Phase abgestraft würde.

Auch "Grind or Pay" ist im Singleplayer nur schwierig integrierbar. Einerseits funktioniert das nur in Genres, die überhaupt auf Progression durch Crafting oder RPG-Elemente setzen und zum anderen ist man dann schnell an einem Punkt, an dem der Spielspaß so spürbar leidet, dass es zu entsprechend schlechten Reviews und einer sehr negativen Spielerfahrung führen würde.

Gerade wenn die Alternative des Kaufs von Spielfortschritt besteht, schauen Reviewer und Spieler doppelt genau hin. Man kann als Entwickler/Publisher z.B. schwer vermitteln, warum man ohne Käufe nicht alle relevanten Bereiche eines Skill-Trees freigeschaltet bekommt oder immer wieder übertriebenes Grinding nötig ist um im Spiel voran zu kommen. Das sind dann alles Punkte, die schnell in einer Abwertung und in deutlich schlechteren Verkaufszahlen enden.

Ein solches Balancing würde auch in der Entwicklung deutliche Mehrkosten verursachen. Für "Grind or Pay" müsste man extrem viel Zeit darauf verwenden einen Skill-Tree genau so zu gestalten, dass er etwas zu lange zur Freischaltung braucht ohne dabei aber so negativ aufzufallen, dass sich das Spiel nicht mehr verkauft. Bei einem normalen Spiel kann man hingegen problemlos damit leben, dass ein Skill-Tree je nach Spielweise nach 40-80% vom Spiel ausgeschöpft ist.

Und selbst wenn man das mit viel Aufwand auf halbwegs unauffällige 120% verschiebt, sind die Microtransactions nach oben gedeckelt, da man nur einmalig die letzten 20% nachkaufen muss - Lootboxen sind aber besonders interessant, wenn sie ein Fass ohne Boden sind.

Kombiniert damit, dass man dafür die Immersion verschlecht und mit Lootboxen auch bei einigen Spielern auf der Blacklist landet, ist das ein extremer Balance-Akt, dem die meisten Publisher im Singleplayer aus dem Weg gehen.

Stattdessen gibt es dann "Time Saver"-Packs als normalen DLC, die aber eher wie ein Cheat wirken und dem Balancing und der Motivation durch Progression mehr schaden als nutzen (macht z.B. Ubisoft bei vielen Spielen).

Einen Vorstoß mit Lootboxen und "Grind or Pay" im Singleplayer-Bereich hat z.B. Shadow of War mit seinem letzten Kapitel versucht, was dann für mich direkt zu einem Kaufverzicht geführt hat.

Ob sich das tatsächlich für den Publisher gerechnet hat bleibt abzuwarten. Denn wie oben geschrieben, ist das im Singleplayer und einem nur mittelstarken Kaufzwang eben kein Fass ohne Boden. Irgendwann hat man genug Geld ausgegeben um sich mit einen Mix aus Grind und Pay durch dieses nervige letzte Kapitel zu schlagen. Dann hat man einmalig ein paar Euro eingenommen, dafür aber die Marke und den eigenen Ruf beschädigt und einige Exemplare weniger verkauft. IMO war das eine Fehlentscheidung die sich nicht rechnen wird.

Meine Erwartung für die Zukunft ist, dass man tatsächlich bei den Lootboxen zurückfahren wird, da diese ein zu negatives Image haben - man wird aber versuchen diese Glücksspiel-Mechanismen unter einem anderen "Schafspelz" zu verstecken. Meine Erfahrung aus anderen Bereichen des Lebens sagt mir aber, dass jede neue Verschleierung immer schneller entlarvt wird, bis dieses Modell nicht mehr funktioniert. Das aber nur auf den Coregamer-Bereich bezogen - bei seichteren Spielen wird es wohl deutlich länger funktionieren, da der typische Casual-Spieler sich viel weniger Gedanken macht.


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