Thema:
Re:Spoiler flat
Autor: manic miner
Datum:11.08.17 13:47
Antwort auf:Re:Spoiler von Sockenpapst

>>>Ich kann Deinen Standpunkt sehr gut nachvollziehen, finde aber, dass genau dieses fehlende Ausbrechen das zentrale und leider auch zutiefst realistische Element ist: Anstatt wirklich zu leben, wird die Vergangenheit eingefroren, und es wird sich jetzt schon auf das zwangsläufig irgendwann kommende Ende fokussiert.
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>>Das hab ich absolut nicht so empfunden. Keiner fokussierte sich auf das Ende, es kam vielmehr für jeden absolut überraschend und dann noch in einem Augenblick totaler Entspannung und nicht Flucht .
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>Interessant wie unterschiedlich da die Wahrnehmung ist.
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>Lass mich meine Interpretation einfach einmal am zentralen Element, dem Haus, veranschaulichen: Nach dem Tod eines Bewohners wird nicht einfach das Zimmer nach einer angemessenen Trauerphase neu genutzt, sondern es wird so gelassen, wie es zum Zeitpunkt des Todes war. Und nicht nur das - es wird versiegelt und mit Gucklöchern zum unberührbaren Schrein umgewidmet. Und die Lebenden nehmen aktiv Rücksicht auf diese Altäre, indem sie das Haus erweitern, weil ansonsten vor lauter Tod & Vergangenheit ganz wörtlich kein Platz mehr für sie da wäre.
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>Und bei den Figuren ist Walter natürlich das beste Beispiel: Nach dem Tod seiner Schwester verkriecht er sich für 30 Jahre im Luftschutzbunker. Und steht diese selbstgewählte Isolation nur durch stumpfeste Routine durch. Und exakt in dem Moment, in dem er endlich das an ihm vorbeilaufende Leben nachholen will, sieht er zwei sich schnell nähernde Lichter am Ende des Tunnels. Wenn das mal keine Ironie ist.
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>Vor diesem Hintergrund habe ich dann auch die "Moral von der Geschicht" gesehen.


Ich glaube ich verstehe, warum ich so unterschiedlich empfinde. Du hast natürlich bezogen auf Ediths Mutter Recht. Die blockiert, verschließt und verweigert sich vor der Vergangenheit. Sie ist ja wohl auch maßgeblich an der Versiegelung beteiligt. Davon ausgehend hast Du Recht.
Ich hab mich aber vielmehr zu Edith hingezogen gefühlt, die all die Geschichten wieder ans Licht holt und das eben nicht als morbide Horror Geschichten, sondern als kauzige Episoden, die nun Mal leider tragisch enden. Damit schafft sie doch das Gegenteil dessen, was du empfindest. Sie befreit all die Ahnen aus ihrer Isolation und fügt sie ihrer eigenen (Vor)Geschichte hinzu und macht sie so ein Stück weit unsterblich (What remains), sofern die Geschichten weitergegeben werden. Und das sehe ich als simple aber wunderschöne Moral der Geschichte. Von ihr bleibt alles, weil sie es zulässt.

Walters Episode fand ich astrein. Der ist doch nach den Jahren der Isolation wie elektrisiert von der neuen Überzeugung wieder Leben zu können. Das Ende erwischt ihn doch dann in völliger Euphorie über den zurück gewonnenen Lebenswillen. Klar ist das bitterböse, aber doch auch auf eine Art echt schön, dass er die Freude noch hatte und man dran teilhaben konnte.

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