Thema:
Durch + kleines Fazit (keine Spoiler) flat
Autor: Shoryuken
Datum:06.11.16 12:45
Antwort auf:Owlboy - Das Warten hat sich gelohnt von lostNerd

Bis auf 170 supergeheime Bonus-Münzen die scheinbar nichts weiter bringen als ein Achievement auszulösen, müsste ich alles gesehen haben, was das Spiel anzubieten hat.

Spiel bleibt von vorne bis hinten ein emotional-dramatischer Ritt, der mich am ehesten an alte Disney-Abenteuerfilme oder 80er Anime von Ghibli oder Gainax erinnert (es fängt ja recht beschaulich in dörflicher Idylle an - das ändert sich. Schnell. Um dann doch ziemlich EPISCH zu werden).

Derjenige vom Team der für die Charaktere verantwortlich ist, hat ganze Arbeit geleistet - optisch teils unglaublich coole Designs mit sehr vielen Details und richtig viel Persönlichkeit und vom writing her ebenfalls ur-sympathisch und liebenswert geschrieben, bzw. saucool im Falle der Bösewichte. Das alles mit relativ simplen Mitteln und ohne in ausufernde Lore-Wüsten abzudriften.

Die Welt selbst ist sowieso atemberaubend (schön). Owlboy hat im Alleingang gerade die Messlate für Pixelart so hoch gesetzt, der eh schon schäbige Steam-Trash ausm Indie-Bereich sieht jetzt noch um ein vielfaches beschissener aus. Hier werden, meiner Meinung nach, sogar an der einen oder anderen Stelle große Pixelmeisterwerke der 90er übertroffen. Es sieht stellenweise wirklich abartig geil aus. Den einen oder anderen Raum würde ich mir auch als großformatiges Poster an die Wand hängen, die Lichtstimmungen und Details sind der Wahnsinn.

Dicke Bonuspunkte gibt es auch für die Animationen, unglaublich liebevoll und erstaunlich detailliert - nicht so ausufernd wie ein Metal Slug 3, aber wahrscheinlich hätte es dann noch 5 Jahre gedauert. Kann mich nur wiederholen, richtige Einzelframes statt irgendwelcher  billigen Tween/Scaling/Rotations-Scheiße ftw. Das Endergebnis ist es wert, immer. Und Owlboy bietet ein paar wirklich tolle, kraftvolle Animationen und viel der Persönlichkeit der Figuren wird eben über genau diese transportiert. Muss man, glaube ich, sehen um zu verstehen was ich meine.

Kommen wir zum eigentlichen Teil, dem gameplay.
Owlboy's größter Triumph bleibt das es sich vom polish her wie ein Nintendo/Capcom-Spiel aus den Mitt-90ern anfühlt ABER eben nicht nur eine Neuzusammenstellung irgendwelcher Referenzen ist. Während man bei anderem Indie-Kram halt sofort checkt "Ohoh, da mag wohl jemand Metroid, aha - das kenne ich doch aus Megaman X" kenne ich kein Spiel aus der guten, alten Zeit was so ist wie Owlboy. Vom Feeling her würde ich es irgendwo zwischen Zelda, Demon's Crest und CAPCOMs Disney Platformern einordnen. Es ist eher ein 2D-Action-Adventure statt Metroidvania. Wer hier komplexe Labyrinthe erwartet und hunderte Items wird schwer enttäuscht sein. Vom Umfang her ist es, zählt man die Münzsuche nicht dazu, irgendwo zwischen Gargoyle's Quest 1 und 2 anzusiedeln. Die Welt besteht schon aus einigen Screens, aber ist dennoch recht kompakt gehalten und wird relativ linear abgearbeitet. Backtracking gibt es eigentlich nur zur Münzsuche - man kann das Teil aber als geradliniges, storylastiges Dingen durchziehen, die Chance das man dann allerdings in 3-5 Stunden durch ist, erscheint mir SEHR hoch. Mich stört es persönlich ja nicht, aber wenn ich die Steam-Foren richtig deute ist so ein Umfang für ein Pixelspiel was auch noch 20+ Geld kostet ja ungefähr Satanhitler besonders wenn irgendwelcher schäbiger Openworld-Dreck mit Mod-Support 2,99 kostet. Wer so drauf ist, wird mit Owlboy zum aktuellen Kurs nicht glücklich.

Zurück zum eigentlichen Spiel, wie oben schon erwähnt - Owlboy ist spielerisch sein eigenes Ding, der Eulenboiiii selbst kann nur fliegen, Sachen tragen und Leute anrempeln (was dann zu einem kurzzeitigen stun führt) - im Laufe des Abenteuers erweitert sich das Fähigkeitenarsenal indem man mit Freunden durch die Gegend fliegt. Es wird dann teilweise Twinstick-shooterig - fühlt sich aber trotzdem noch SNES-ig genug an. Ansonsten ist es sehr abwechslungsreich und mit dem relativ überschaubaren Angebot an Fähigkeiten wird recht viel gemacht, bzw. wird das Spiel durch einmalige Sequenzen noch einmal zusätzlich aufgelockert. An Kreativität hat es definitiv nicht gemangelt.

ZUM GLÜCK ist das Spiel auch nicht in die Falle "Oldschool = Nintendo-hard" getappt (leider auch ein Kritikpunkt auf Steam, Spiel sei viel zu leicht - und alle so: who cares!?) - ich finde persönlich durchaus die eine oder andere Stelle kniffelig, gerade wenn man nicht gleich rafft was zu tun ist und bin auch diverse Male gestorben - aber das ganze Spiel lässt sich schon sehr gemütlich wegspielen ohne große Frustmomente und sollte niemanden überfordern. Daran gibt es nichts zu rütteln - wer hier also auf Fingerakrobatik gehofft hat, sorry - nicht dieses Spiel. ALLERDINGS gibt es durchaus Stellen die Potenzial hätten daraus ein eigenes Action-Spiel zu schnitzen und die Bossbattles sind durch die Bank ganz nett-fett. Nicht superhardcore, aber schon ganz coole Patterns.

Einziger Gameplay-Aspekt den ich nicht ganz so mochte (mir aber trotzdem reingezogen habe, weil ich ALLES sehen wollte) ist das Münzen sammeln. Es gibt mehrere tausend Münzen im Spiel (bis auf die totalen Geheim-Münzen werden die auch in einer Checkliste im Menü aufgeführt), diese werden gegen Trinkets eingetauscht - das Problem ist, sehr häufig sind das irgendwelche Wände durch die man einfach durchgehen/fliegen kann ohne richtigen Indikator - was dann leider dazu führt das man wie ein Kloppi an allen Wänden des Spiels langdasht. Das ist etwas billig gelöst und wirkt wie Spielzeitstreckung. Ich dürfte damit locker den Löwenanteil meiner Spielzeit verbracht haben - das heisst nicht, das es nicht Spaß macht diese Verstecke zu finden beim regulären Erkunden. Aber wenn dir in einem 20 Screens-Areal noch 9 coins fehlen ist es... nicht so suuuuper motivierend. Deswegen gebe ich mir auch nicht mehr die Suche nach den total versteckten Geheimmünzen, jetzt nochmal jede Wand abfliegen ohne Sinn und Verstand – nö, da warte ich drauf das jemand anderes das erledigt und ich die Punkte nur noch abfliegen muss ;)

FAZIT: Ich hätte nicht gedacht das heutzutage noch jemand solche Spiele machen kann und/oder will. Ich bleibe dabei, Owlboy wirkt wie aus der Zeit gefallen und wäre, sofern es denn auf SNES oder Saturn erschienen wäre, unter Garantie ein Kultklassiker für den wir heute Unsummen den Resellern in den Rachen schmeißen würden. Positivste Überraschung des Jahres für mich - kurzweilig, kreativ, abwechslungsreich und unglaublich schöööön. Nichts für Leute die bei Spielen auf die Quantität schauen bzw. nach Kosten/Nutzen Spiele erwerben. Definitiv was für Leute die das Flair der alten Konsolentage vermissen, wo neben den reinen mechanics eben auch Charme/Flair eine Rolle spielte und man auch gerne ein Spiel mehrfach durchspielte weil es einfach so liebevoll gemacht war. Owlboy ist so ein Spiel. Ein bisschen naiv, unschuldig und auf japanisches Altmeister-Level poliert. Kann es nur empfehlen.


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