Thema:
Na denn. flat
Autor: membran
Datum:01.08.16 15:00
Antwort auf:So eng darf man das hier imho nicht beurteilen von Forest Fire

>R6 ist wie eine Runde Stein / Schere / Papier, jedoch mit einem massiv erweiterten "Werkzeugsatz". Würde der Spieler von Anfang an den Zugriff auf alles haben, wäre er vielleicht total überwältigt, wenn nicht sogar überfordert! Daher ist es gut, wenn man Schritt für Schritt immer mehr Operatoren freispielt und während dieses Prozesses die Eigenschaften, mitsamt den möglichen Loadouts sowie den individuellen Vor- und Nachteilen kennenlernt. Hinzu kommt noch die dabei erworbene Mapkenntnis. Irgendwann findet man heraus, welche Operatoren auf verschiedenen Karten gewisse, den persönlichen Vorlieben und der Spielart zuträglichen Vorteile bringen. Ein langer Prozess! R6 spielt man nicht mal so.

Dein Argument legt sich leider nur auf die Fresse, wenn Seasonpass-Käufer nix freispielen müssen, die haben dann also mehr ausgegeben und sind überfordert? Es soll ja Leute geben, deren erster Class/Loadout-Based-FPS nicht R6:S ist. Mal davon ab, dass dieser Absatz hier auf sämtliche Multiplayertitel anwendbar ist. "Man braucht Mapkenntnis"? Potzblitz.

Warum man sich diese Mapkenntnis nur aneignen können soll, wenn man nicht die volle Auswahl aus Charakteren und Waffen hat, erschließt sich mir nicht ganz. R6:S mag meinetwegen komplex sein. Der Einstieg mag steinig sein und jeder Operator mag Zeit brauchen, um seine Funktion und Playstyle zu verstehen. Darum geht es aber nicht. Es geht mir um die freie Auswahl. Mit welchen Operators man anfängt, das Spiel zu erschließen, ist eben eingeschränkt.

>Wenn es geklickt hat, möchte man immer mehr in die Welt eintauchen und alle Möglichkeiten und fiesen Tricks ausloten und praktizieren. Bedenkt man, dass man innerhalb von 12 Wochen ungefähr 40 Stunden für das Freispielen der Season Operatoren benötigt, ist das wirklich keine böswillig auferlegte Paywall der Entwickler.

Ich spiele seit bald 25 Jahren FPS im Multiplayersetting, seit Doom im 1v1 Deathmatch per Nullmodemkabel. Ich habe auch meine FPS Clan/Turnierphase schon hinter mir. Ich habe diverse FPS schon 500 Stunden und (viel) länger gespielt. Der Punkt ist aber - und das ziehe ich mir jetzt mal aus dem Arsch, weil gefühlt - die allermeisten Spieler versenken nicht 40 Stunden in einen Multiplayertitel. Das ist die Ausnahme, bevor sie weiterziehen. Nur der harte Kern zockt einen MP Titel über 12 Wochen lang. Ich komme wieder zurück zu meinem Argument vom vorherigen Posting: Du sagst, nach 40 Stunden hätte man doch alle Operators zusammen. Ich sage: Nach 40 Stunden haben die meisten Spieler das Spiel schon ad acta gelegt. Was haben sie bis dahin gemacht? Versucht, das Spiel "freizuspielen". Anstatt das einfach das Spiel zu spielen und einfach Zugriff auf alles zu haben (für das sie bezahlt haben). Diese Leute mit "zuwenig Zeit aber zuwenig Geld" sind eben auch die Zielgruppe (vielleicht nicht speziell in R6:S, aber generell in MP-Spielen mit solchen Unlock-Grind-oder-gegen-Geld-Mechaniken), auf die diese Timesaver-Angebote zugeschnitten sind. Ähnlich wie im F2P Bereich sorgt der Fokus auf den Geldbeutel dieser kleinen Zielgruppe dafür, dass die überwiegende Mehrheit sich einem Grind ausgesetzt sieht, in einem Spiel, in einem Multiplayermodus, wo verdammt nochmal keiner hingehört. Und das Beste dabei: die verblendete Spielerschaft verteidigt das auch noch als gute und notwendige Einführung, als wären die Spieler unfähige Kleinkinder, die von ein paar mehr Optionen überfordert wären und Händchenhalten bräuchte.

Ich verweise nochmal auf das 40 EUR Unlock-Paket für Battlefield 4. Vierzig. Euro.

>Wer ernsthaft auf Multiplayertitel jeglicher Art setzt, der weiß, dass man Zeit und "Training" investieren muss um mithalten zu können.

Das stimmt zweifelsohne, aber es ist kein Argument für die Unlock-Karotte. Benötigte Zeitinvestition schön und gut, aber warum sollte die in Freischalten von Zeug fließen und nicht zu 100% in "Lernen des Spiels und aller seiner Möglichkeiten". Ich würde gerne bei so einem Spiel, wenn ich es "lernen" will, mit Zugriff auf alles rangehen. Aus vielerlei Gründen. U.a. deswegen, weil es immer besser ist, mal sämtliche mögliche Dinge im Spiel selber getestet zu haben, und ich halte es für schlecht, wenn einige Mechaniken, die Gegner gegen mich verwenden, mir im Gegenzug bis zum Selbertesten eine zweistellige Stundenzahl vorenthalten werden. Und dafür zu bezahlen steht nicht zur Debatte.

Das Traurige ist ja: Es scheint mir so, als würde das System, was ich hier so kritisiere, gerade den Leuten, die verhältnismäßig wenig Stunden investieren (gegenüber dem harten Kern), bevor sie das Spiel an den Nagel hängen und bis dahin nur mit Freischalten und somit eingeschränkten Möglichkeiten unterwegs sind, gefällt, sich an diesem System langzuhangeln. Anscheinend verpufft dann meist um den Zeitpunkt herum, wenn das Ende der generellen Unlock-Fahnenstange  erreicht ist, auch die Motivation, den Multiplayermodus des Multiplayermodus wegen weiterzuspielen. Es scheint hier also diese typische Singleplayer-Freischalt-Mentalität auf einen Multiplayermodus übertragen zu werden. Die finden das gut, die wollen das, nach 30-40 Stunden rumgenoobe sind die eh wieder weg.  Die merken nichtmal, was das für Spielbalance und faire Competition bedeutet, warum auch, so tiefgehend haben sie vermutlich noch nie über einen popeligen Ego-Shooter nachgedacht, und am Ende ist man selber der Nerd, der das alles viel zu ernst nimmt.

Unterm Strich werden die Multiplayer-Modi von FPS zunehmend mieser und mieser und mieser. Und wenn ich mal, basierend auf grundsätzlichem FPS-Grund-Skill in einen FPS reinschauen will, muss ich immer durch diese Unlockscheiße durchwaten, bis mir das ganze Spiel offensteht. Die ersten 20-30 Stunden bocken mir in solchen Unlocksystemen kein Stück. Eigentlich machen mir FPS mit Loadouts/Customskillcombo grundsätzlich keinen Spaß. Wahrscheinlich bin ich zu solchen FPS einfach inkompatibel und habe diese veraltete, dämliche Vorstellung von Chancengleichheit als einer der Metriken für einen FPS oder Multiplayertitel. Zum Glück hat es Overwatch richtig gemacht, den Unlockkram auf Cosmetic-Rotz beschränkt - die Helden (die übrigens keine "Loadouts" haben - wenn ich Held XYZ sehe, weiß ich *genau*, was dieser kann und was nicht) waren alle von Anfang an frei, anders hätte das Spiel wohl auch nicht funktioniert. Komisch, dass es das in R6:S tun soll, aber wenn du das sagst, will ich es dir mal glauben...

>Die Grinderei dient imho ungefähr den gleichen Zweck wie das Rangsystem eines großen Rollenspiels.

Ein RPG ist kein FPS. Der Gearcheck ist lustigerweise Anreiz und größtes Problem bei Rollenspielen zugleich.

>Da fängt man schliesslich auch erst mit einem rostigen Dolch an und muss die Erfahrung für das Führen eines 2m Drachentöters erst sammeln.

Ein RPG ist kein FPS. Ein guter FPS zeichnet sich im Multiplayer für mich durch gleiche Voraussetzungen für alle ab Sekunde 1 aus (das schließt Map Design natürlich zwingend mit ein), und durch sowenig Zufall wie möglich. Mit letzterem meine ich z.B. die Abwesenheit von Loadouts, von denen man nicht weiß, was nun dieser Gegner, der genauso aussieht wie die 5 anderen Gegner, für eine bestimmte Skillkombination für diesen Spawn ausgewählt hat und man somit nicht weiß, was seine Optionen und daraus folgend die eigenen Optionen in der aktuellen Situation sind. Und so weiter und so fort. Ich kann hier gerne noch tiefer ins Detail gehen, falls gewünscht.

>Für mich ist R6 selbst nach ~400 Spielstunden immer wieder spannend. Jede Runde verläuft anders.

Ich habe auch in dem ein oder anderen Spiel höhere dreistellige Stundenzahlen gesammelt, aber seien wir ehrlich: Mit 400 Stunden dürftest du locker unter den Top 3% der Rainbow Six Suchtis sein.

>Edit: Ein weiteres Plus ist auch die Tatsache, dass  man nicht zwingend verlieren muss, wenn man z.B. den einen coolen Operator noch nicht freigespielt hat. Profis spielen oft tatsächlich als Rekruten! Es ist vielmehr das geschickte Improvisieren unter Zeitdruck, welches Spannung und Spielspaß in unvorstellbare Höhen treiben. Manchmal ist eine popelige Blendgranate das Zünglein an der Waage. Aber das erfährt man wohl nur, wenn man sich langfristig mit diesem Spiel auseinandersetzt.

Es geht um die freie Auswahl sämtlicher zur Verfügung stehender Optionen. Ein großer Teil dieser Optionen steht zu Beginn nicht zur Verfügung, aber man spielt schon online gegen andere, denen dies zur Verfügung steht. Man tritt also nicht nur gegen einen Wissensvorsprung der anderen Spieler (Map/Mechanics/etc) an, sondern auch mit der eigenen eingeschränkten Auswahl; überspitzt gesagt Zeug, was man nicht selber probieren kann, aber damit als Gegner konfrontiert wird, sich zusammenreimen muss, was der andere wohl kann - und die darauf passende Antwort man nicht kennt, weil sie einem noch nicht zur Verfügung steht.

Dass Leute, die alle Elemente schon kennen, sich in bestimmten Situationen  Mitteln bedienen, die auch einem Newbie zur Verfügung stünden, spielt dabei keine Rolle. Wie gesagt: Dem Newbie fehlt schlicht die Möglichkeit, um zu diesem Ergebnis zu kommen, weil ihm Information (durch bedingungsloses Selbstausprobieren) vorenthalten wird.

>Ich will jetzt nicht sagen, dass R6 das beste und ehrlichste Spiel der Welt ist, aber wenn man sich wirklich damit auseinandersetzt, baut man gewisse Vorurteile mit Sicherheit ab. 20€! Ihr habt euer Geld garantiert schon für schlechteres verprasst! ;)

Es ging nie darum, wieviel R6:S kostet. Es ging nichtmal um R6:S speziell. R6:S wäre in meinen Augen ein besseres Spiel, wenn es auf die Unlockkarotte verzichtete. Das gilt für jeden Multiplayer-FPS und für so gut wie jedes Multiplayerspiel. Selbst manche MMORPGs haben es hinbekommen - ich verweise auf den Arenamodus von Guild Wars 2, in dem jeder Spieler in dem Versus-Modus temporär auf Max Level angehoben wird, alle Skills freigeschaltet werden und jeder Zugriff auf dieselben standardisierten Endgame-Waffen bekommt. Fairness durch gleiche Optionen für alle, frei von Grind.

Btw: Ich habe R6:S in irgendeinem Sale mitgenommen, aber noch keinen Nerv gehabt, es wegen der Unlockgeschichte anfangen zu zocken. :)


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