Thema:
Murdered: Soul Suspect flat
Autor: token
Datum:06.10.14 10:11
Antwort auf:Durchgezockt Nr. 31 von Montana

Tja, der Fall ist gelöst aber das Spiel lässt mich dennoch ein wenig ratlos zurück. Nicht aufgrund der Geschichte, aber aufgrund des Gesamtpakets.
Soul Suspect ist, das muss man so sagen, einfach _nur_ eine interactive novel.
Als Adventure hält es einfach nicht stand, denn klassische Rätsel gibt es nicht. Zwar fordert einen das Spiel zum rätseln auf wenn es um die Auflösung der gefundenen Hinweise geht, aber im Gegensatz zu einem Phoenix Wright, hat das hier keinerlei spielerische Relevanz. Das Spiel bestraft nicht, wenn man nicht die richtigen Hinweise heranzieht, was an sich nicht schlimm ist, da es nur den Fluss unelegant ausbremsen würde. Aber es vergisst leider auch einen perfekten Fall zu belohnen. Alles Makulatur, alles total egal. Mit zunehmender Spielzeit fand ich das Prinzip dahinter einfach nur schwach und einfallslos, da war mehr drin.
Böse ausgedrückt besteht der Inhalt des Titels nur darin, eng abgegrenzte Schauplätze abzulaufen, und dann in Manier klassischer Adventures den Bildschirm nach Triggerpoints für Hinweise abzugrasen. That's it. Anfangs gar noch atmosphärisch, aber wenn man mal 10 Minuten im Kreis gelaufen ist, weil der schlecht gehighlighte Scherbenhaufen übersehen wurde, meh. Und am Ende fehlt halt der Payoff.

Die einzige spielerische Komponente bieten eingestreute Katz-und-Maus-Manöver mit Dämonen. Und die sind bestenfalls egal, weil nicht sonderlich schwer. Tatsächlich sind auch diese Parts relativ nervig, eben weil sie anspruchslos sind, so dass man die nur wegratzen will, hierbei jedoch gerne aus Ungeduld Mist baut, wodurch diese Nummern dann noch nerviger werden. Gütigerweise halten sich diese "spielerischen" Komponenten sehr im Rahmen.

Nun kommt die Technik. Die Hickups sind an sich egal, wenn auch ob der gebotenen Optik unnötig wie sonstwas. Schwerer wiegen da schon diverse Bugs. Auch wenn ich gelesen habe dass einige flawless durchgekommen sind, muss ich persönlich leider von einer für mich schwer vertretbaren Dichte berichten. Mehrfach ist das Spiel mitten in einer Laufbewegung einfach hart abgestürzt, gerne mit weit zurückliegenden Checkpoints. Dazu gab es vielfach Probleme im Dialogmodus, Charaktere die nicht reden, Charaktere die nicht mehr auf einen reagieren, obwohl sie der nächste Triggerpoint sind. Vor dem Hintergrund einer Spielstruktur die einfacher nicht sein könnte, würde ich da schon von einer Leistung sprechen, da überhaupt Fehler reinzubekommen, in diesem Ausmaß dann schon von einer außerordentlichen Leistung. Das war letztlich gravierender als das was man bspw. bei einem Indietitel wegblinzeln würde, wobei mir auch kein Indietitel begegnet ist, der solche peinlichen und vor allem unnötigen Faux Pas drin hatte.

Weiterhin enttäuscht hat mich der Sammelcontent. Es gibt bspw. optionale kleine Fälle die man finden kann, und diese sind cool. Es gibt allerdings auch Sammelobjekte welche bei Vollständigkeit einer Serie eine Minikriminalgeschichte enthüllen. Doch könnte die Inszenenierung dieser Geschichten liebloser kaum sein.

ABER:
Ich hab das Spiel durchgespielt, ich habe nach Abstürzen wieder alles abgelaufen, ich habe mich durch die Dämonenspielchen teilweise durchgequält, und das hat natürlich Gründe. Die sind jedoch eher esoterischer Natur.
Kurzum, (Wortspiel höhö), Soul Suspect hat Seele.
Ich weiß es nicht besser auszudrücken. Es hat in mir ein Gefühl geweckt, das ich so in der Form eher in 32-Bit-Zeiten beim Spielen hatte. Schwer zu beschreiben, aber es fühlte sich einfach wieder mehr nach Videospiel an, hatte diesen eigenen Charme, seinen eigenen Stil, kleine harmlose Ideen, die aber herausgezeichnet haben was mir heutzutage häufig fehlt. Nämlich dass Spiele machen können was sie wollen, es gibt keine Grenzen, wenn du es dir vorstellen kannst, warum nicht. Nichts revolutionäres, aber der Titel bricht einfach aus dem Streamlinetunnel aus, und macht mit seinen Eigenartigkeiten transparent wie krass und formelhaft und abwürgend dieser Tunnel geworden ist. Es erinnert mich daran wie man bewaffnete Wespen gelenkt hat oder mit Spielzeugautos über Tische gefahren ist.
So spielt man in Soul Suspect einen Geist, der dann einfach sein eigenes Regelwerk mitbringt. Dieses macht jetzt im Ansatz nicht das daraus, was es machen könnte, aber schon so Trivialitäten wie die Möglichkeit durch Wände zu gehen, bricht bspw. mit festgefahrenen Mustern, und fordert einem eine andere Art der Orientierung ab, alles schlüssig mit dem Szenario verwoben.
Es sind diese kleinen Eigenheiten die den Titel in Summe seiner Einzelteile interessanter machen, als es die kühle Betrachtung der Einzelteile vermuten lässt.

Nichtsdestotrotz sollte man ein Faible für langsame adventureartige Spiele und eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen. Soul Suspect ist am Ende des Tages ein tauglicher Snack der im nun angekommenen Low-Budget-Bereich auch richtiger platziert ist, als im Vollpreissegment. Allerdings hat dieser Snack eine besondere Note, die um einiges erinnerungswürdiger ist als der Großteil der heutigen Fließbandproduktionen.


< antworten >