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| Autor: | Zinkhal | ||
| Datum: | 26.08.25 19:20 | ||
| Antwort auf: | Re:Dritte Runde von Pezking | ||
>>Es geht voran. Die erste Chemo war im Nachgang allerdings richtig hart. Neben den üblichen Nebenwirkungen hatte meine Freundin noch eine massive Migräne und eine Sehnenentzündung im Bizeps obendrauf (Schonhaltung wegen der Port-Narbe). Die Ärztin hatte mich zusätzlich vor möglichen aufbrausenden Stimmungsschwankungen gewarnt, aber das blieb komplett aus. > >Bei meiner Frau auch. Das emotionale Wrack war ich, und das wurde nur noch dadurch verstärkt, dass ich das komplett mit mir selbst ausmachen wollte, um sie nicht zu belasten. > >Der Plan ging komplett in die Hose, irgendwann war ich psychisch am Ende. Hatte dann aber wenigstens noch den Willen und die Kraft, alles dafür zu tun, um mich so schnell wie möglich wieder zu flicken. Was dann auch geklappt hat. Ich habe aktuell noch das Gefühl, dass ich alles bewältigt bekomme. Ich merke jedoch, dass mein Stresslevel steigt und die Phasen der Erholung kürzer werden. Wenn das so weiter geht, weiß ich auch nicht, wie ich darauf reagieren werde. Zumal die (beruflich) stressige Phase jetzt erst wieder losgeht. Ich denke mir aber, dass es halt nur ein Phase ist. Ich kann solchen Phasen eine gewisse Zeit lang sehr gut aushalten. Dennoch macht mir das irgendwie Sorgen, dass es vielleicht doch irgendwann zu viel wird. Kam es bei dir schleichend, oder hat es irgendwann "Rumms" gemacht, dass du von jetzt auf gleich nicht mehr konntest? > >>Stattdessen lag zuhause ein Häufchen Elend, weit entfernt vom früheren selbstbewussten Ich. Das war eine echte Herausforderung. Mit einer aufbrausenden Freundin wäre ich ehrlich gesagt besser klargekommen. Zum Glück hat sich das mit der Zeit deutlich verbessert, auch wenn es einzelne Tage gibt, an denen sie regelrecht klammert, was sonst gar nicht ihr Ding ist. Dann entschuldigt sie sich ständig und dreht sich im Kreis. Das Einzige, was hilft ist gut zureden, sie auf positive Gedanken bringen und sie daran erinnern, dass sie bei dieser Diagnose auch einfach mal schwach sein darf. Aber leicht ist das nicht. > >Meine Frau war immer "nur" nach den ersten vier Chemo-Dosen komplett im Eimer. Nebenwirkungen deluxe, Übelkeit ohne Ende, sie wusste gar nicht, wohin mit sich. Da konnte man auch nix machen, das ging immer die ersten ein bis vier Tage danach so. > Ist bei ihr ähnlich. Wobei die Übelkeit geht sogar noch. Die Spritze zum Aufbau des Knochenmarks (zwei Tage nach der Dosis) haut bei ihr deutlich mehr rein. Soll wohl ähnlich sein zu der, die man vor der Stammzellenspende bekommt. Hatte vor 10 Jahren mal gespendet; die Spritze hatte mich damals gut fertig gemacht. Und es war nur(!) die Spritze, ohne Chemo etc. >Migräne war da auch immer wieder ein schlimmes Thema. > >Für die restlichen vier Sitzungen wurde dann ein anderes Medikament verwendet (war von Anfang an so geplant), das hat sie zum Glück erheblich besser vertragen. Wird bei ihr auch bald umgestellt. Dann erfolgt die Chemo auch im wöchentlichen Rhythmus. Die Wochen dazwischen waren bislang die "besten" Woche. Hoffentlich fehlt diese Woche der Pause nicht bzw. hoffen wir einfach, dass sie die andere Chemo insgesamt besser verträgt. > >>Es gab aber auch Momente, die mich extrem wütend gemacht haben. Zum Beispiel eine Frau, fast im gleichen Alter wie meine Freundin, mit ähnlicher Diagnose. Sie musste zehn Monate auf eine Mammografie warten. Zehn Monate! In der Zeit hat der Krebs gestreut und die Lymphknoten befallen. Am Ende war nichts mehr zu retten, beide Brüste mussten amputiert werden, plus anschließende Bestrahlung. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man in Deutschland bei so einer Ausgangslage so lange auf eine Untersuchung warten muss, oder warum kein Arzt rechtzeitig Druck gemacht hat. Für mich unbegreiflich. > >Das klingt wild und deckt sich zum Glück 0,0 mit unseren Erfahrungen. Damals wie heute wird meine Frau stets erstklassig und schnell behandelt und untersucht. Und nein, sie ist keine Privatpatientin. ;-) > >2007 war sie natürlich mit 27 Jahren allein schon wegen des Alters eine sehr auffällige Patientin. Da hatte man schon das Gefühl, dass sich alle allein deshalb schon besonders viel Mühe gegeben haben. > >Aber als es vor zwei Jahren einen Verdacht auf Knochenmetastasen bei ihr gab, wurde das auch ratzfatz intensiv untersucht: Donnerstag hatte der Orthopäde den Verdacht anhand eines Röntgenbildes wegen einer komplett anderen Sache, Freitag waren wir beim Onkologen und am Dienstag wurde sie schon mit Knochenszintigramm und Pipapo auf den Kopf gestellt, mit dem Ergebnis: Entwarnung, alles top. > >Waren sechs richtig beschissene Tage für uns. Aber eben auch nur sechs Tage, da können wir echt nicht meckern. Das Bangen, bis Klarheit herrscht, kann ich gut nachvollziehen. Eine schreckliche Zeit. Aber schön, dass bei euch alles in Ordnung ist. Das macht mir auch Sorgen, dass dieser Gedanke, ob der Krebs irgendwann (auch in anderer Form) wiederkommt, einen ständig begleiten wird. > >Ist aber womöglich auch von Vorteil, wenn man in einem wohlhabenden Ballungsraum wie Frankfurt wohnt. > >>Und dann das Thema Haare. Inzwischen sind sie komplett weg, nach dem büschelweisen Ausfall hat sie selbst den Rasierer angesetzt. Aber ehrlich gesagt, es steht ihr verdammt gut. Natürlich gab es Tränen und der Blick in den Spiegel war erst hart, aber inzwischen findet sie es selbst ziemlich cool. > >Meine Frau hatte ihrer Haare tatsächlich schon völlig überraschend nach der ersten Chemo verloren. Ich war samstags zur Ablenkung mal mit einem Kumpel bei einem Auswärtsspiel in Gladbach, hatte ihr vorher noch auf gut Glück (lange vor dem HBO-Serienstart) einen Fantasyroman namens "Game of Thrones" zum Zeitvertreib geschenkt - und abends kam ich dann nach Hause: Zum Lesen kam sie nicht, dafür hatte sie keine Haare mehr. O_o > >Eine gute Freundin hatte zum Glück Zeit, sie hat dann direkt mit dem Rasierer kurzen Prozess gemacht und war dabei nicht alleine. > >In den eigenen vier Wänden kam sie ohne Haare gut klar. Aber rausgehen wollte sie so wenig wie möglich, sie hat ihre Perücke gehasst und fühlte sich damit permanent beobachtet. Fanden die Ärzte auch voll ok, weil bei ihr ja absehbar war, dass sie dieses Problem nur vorübergehend haben würde. Zu ihrer Reha in Freiburg im Dezember hatte sie schon wieder eine (natürlich noch sehr kurze) Kurzhaarfrisur. Aber immerhin eine Frisur und längst keine Glatze mehr. > >Zum Glück war der Sommer 2007 auch sehr durchwachsen. Wir hatten extra unsere damalige Dachwohnung kurzfristig mit einer Klimaanlage ausgestattet. Nach dem heißen WM-Sommer 2006 wollten wir nicht riskieren, dass sie zusätzlich zur Chemo dort auch noch vor Hitze eingeht. Wäre im Nachhinein gar nicht nötig gewesen, wenigstens das Sommerwetter war damals (für meine Begriffe) perfekt: Es gab kaum welches! ;-) > >Was ihr damals sehr geholfen hat: Sie hat sehr viel Sport auf unserem damaligen Crosstrainer getrieben. Das hat ihr wirklich Kraft gegeben. Sie hat die Perücke bis heute nicht einmal getragen. Geht immer mit Glatze vor die Tür. Es steht ihr aber auch verdammt gut. Ich kann aber verstehen, wenn das für die meisten Frauen eher ein Problem ist. Sie geht, wenn es einer der guten Tage ist, auch unverändert ins Studio. Da scheinen sich die Erfahrungen zu decken. Ihr tut es ebenfalls sehr gut, wenn sie sich betätigt. > >>Der Alltag hat sich auch stark verändert. Vieles geht nur noch spontan oder bleibt an mir hängen. Haushalt, Arbeiten, alles drumherum. Klar stresst das manchmal, aber bisher ist es machbar. Am Ende ist genau das der Punkt einer funktionierenden Beziehung. Man springt füreinander ein, wenn der andere gerade nicht kann. > >Ich habe damals endgültig mein Studium geschmissen. Da ich mir das über einen Halbtagsjob selbst finanziert hatte (Festanstellung bei einer Versicherung), waren die Prioritäten eh schon die ganze Zeit durcheinander geraten. So habe ich dann erst zwei Urlaubssemester genommen, weil Arbeit, Pflege der Freundin und Studium einfach zu viel geworden wäre. Und das war's dann letztendlich mit der Uni. ¯\_(ツ)_/¯ Da können wir auch glücklich sein, dass wir beruflich soweit alles in geordnete Bahnen haben und es zumindest finanziell keine Sorgen gibt, die zusätzlich belasten. In der jetzigen Situation noch studieren wäre für mich auch nichts gewesen. > >Zum Glück hatten wir damals noch keinen Golden Retriever. Ich will auch nicht wissen, wie es sein muss, so ein Kapitel überstehen zu müssen und dabei auch noch kleine Kinder zu haben. Wir haben auch keine Kinder und werden nach der Diagnose auch keine mehr bekommen können. Während der Diagnose bestand sogar kurz der Verdacht einer Schwangerschaft. Das hatte sie kurzzeitig völlig gebrochen. Zum Glück war der Test negativ. Vielleicht war es im Nachhinein auch besser, dass es nie geklappt hat. Mit der Schwangerschaft und den ganzen Hormonen wäre der Krebs erst so richtig in Fahrt gekommen. Manchmal schützt einen der eigene Körper auch und hat vielleicht gemerkt, dass es besser nicht so sein soll. |
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