Thema:
Re:Das ich hier mal was schreiben werde... flat
Autor: Pezking
Datum:29.06.25 16:07
Antwort auf:Das ich hier mal was schreiben werde... von Zinkhal

>Meine Freundin hat Freitag die Diagnose Brustkrebs bekommen. Durch Tastbefund haben wir einen Knoten festgestellt. Alle Ärzte und auch alle Untersuchungen haben darauf schließen lassen, dass es sich nicht um Krebs handelt. Das hat sich jetzt 6 Wochen hingezogen. Der Radiologe hat zuletzt sogar von eine Biopsie abgeraten. Zum Glück hat Eileen auf eine Biopsie bestanden. Wir haben also auf das Ergebnis gewartet in der Hoffnung, es jetzt schwarz auf weiß zu haben, dass es kein Krebs ist. Seit Freitag ist alles anders. Schwer in Worte zu fassen. Man kennt es nur von Erzählungen und ich wünsche jedem, dass ihm diese Erfahrung erspart bleibt.
>
>Es war auch das kürzeste Telefonat, was ich jemals mit meiner Freundin geführt habe. Ich saß im Büro, habe abgenommen und sie sagte nur "Komm sofort ins Krankenhaus". Aufgelegt, zum Auto gerannt und los.
>
>Die anschließende Besprechung habe ich irgendwie nur so halb wahrgenommen. Eigentlich habe ich nur auf Eileen geschaut, wie es ihr geht und wie sie reagiert. Sie ist eine verdammt starke Frau. Auch wenn heute der erste Tag war, wo man merkte, dass sie es so langsam registriert, was die Diagnose bedeutet.
>
>Die Heilungsprognose ist grds. gut. Weitere Untersuchungen folgen in der kommenden Woche. Wir hoffen, dass nichts gestreut hat. Bei dieser Art von Krebs müsste uns diese Hiobsbotschaft erspart bleiben. Die Angst bleibt dennoch. Ein Grundschulfreund von mir ist Radiologe und Facharzt für Nuklearmedizin. Er hat uns genau gesagt, was wir vor dem dem Termin mit der Onkologie noch erledigen sollen. Morgen kommt das CT im örtlichen Krankenhaus und Dienstag das PET-CT in Bonn. Anschließend geht es noch ins Brustzentrum Hannover.
>
>Immerhin scheint der Krebs gut auf Hormone anzusprechen. Das heiß, dass Eileen im allerbesten Fall nur eine schwache Chemo braucht. Nach ca. 6 Monaten folgt dann die OP mit anschließender Strahlungsbehandlung und dann, sofern alles vom scheiß Krebs weg ist, die aufbauenden Maßnahmen für die betroffene Brust.
>
>Eileen ist so tough und ich stehe da gefühlt nutzlos daneben. Ich werde sie aber so gut es geht unterstützen. Habe alle Termin gekappt und werde stets an ihrer Seite sein, wenn sie es wünscht. Die Ärzte haben uns schon auf harte 6 bis 12 Monate eingestellt.
>
>Als sie mir am Freitag sagte, dass wir vielleicht wegen dem Haus doch noch überlegen sollten, kurzfristig zu heiraten und sie ja nicht wüsste, wie es ausgeht, war bei auch der Punkt erreicht, wo ich nicht mehr konnte. An diese Option denke ich aktuell überhaupt nicht. Es wird nicht schlecht ausgehen.
>
>Nach der Diagnose am Freitag sind wir noch losgefahren um eine neue Duschtasse und Duschkabine auszusuchen, da wir einen Wasserschaden im Haus haben. "Bringt doch nix. Muss weitergehen." war ihre Ansage. Samstag haben wir nach neuen Zimmertüren geschaut und waren Abends doch noch spontan auf einer Feier. Ein letztes mal unbeschwert. Sie macht einfach weiter. Will die kurze Zeit bis zum Beginn der Behandlung noch sinnvoll nutzen. Als mich gestern in guter Kumpel fragte, wie es mir geht, musste ich ums Eck gehen. Eileen hat sich immer im Griff. Sie soll sich jetzt nicht auch noch um mich sorgen. Es fühlt sich so scheiße an, wenn sie mich jetzt noch tröstet. Ich hab kein Krebs. Sie ist so stark. Deswegen wird sie den Kampf auch gewinnen, keine Zweifel.


Mein Mitgefühl ist Euch sicher. Kann da nur zu gut mitreden, denn 2007 haben meine Frau (damals noch Freundin) und ich haargenau dasselbe durchgemacht. Sie war damals gerade mal 27 Jahre alt.

Auch hier: Eigener Tastbefund, Radiologe gab erst mal Entwarnung, gerade angesichts ihres jungen Alters. Dann Biopsie: Hoppla, doch bösartig! Und dann ging's los.

Und was heißt 2007: Das Thema wird man nie mehr komplett los. Selbst wenn das Überleben gesichert ist, bleiben die Folgen ein Teil des Alltags. Es stellt potenziell alles auf den Kopf. Familienplanung, Sexualität...nix bleibt komplett unberührt.

Aber: Damals hätte ich das, was danach alles noch gekommen ist, sofort unterschrieben. Denn der Worst Case ist ja ausgeblieben. Und alles andere kann man managen. Nur ist das trotzdem eine gewaltige Herausforderung, und oft ist es klug, sich dabei Hilfe und Beistand zu suchen.

Deine Erzählungen hier erinnern mich stark an mich damals. Die ersten drei Wochen nach der Diagnose habe ich einfach funktioniert. Danach war der Akku leer. Angststörung, Panikattacken, Depressionen. Und dabei natürlich ein schlechtes Gewissen: Ist nicht so geil, wenn man die gerade haarlose Frau nachts um 4 Uhr wecken und bitten muss, einen in die Notaufnahme zu fahren, weil man sich gerade einen Herzkasper mit allem Zipp und Zapp einbildet und nichts daran ändern kann.

Mein dringender Tipp daher: Such' Dir eine Therapeutin. Am besten kognitive Verhaltenstherapie. Idealerweise so schnell wie möglich als Selbstzahler. Man braucht als Partner eines Krebspatienten einen neutralen seelischen Mülleimer, den man nicht irgendwie schonen möchte. Und der sofort Rat weiß, wenn man psychisch akut so richtig am Boden ist. Das ist unbezahlbar, und hätte ich mich nicht komplett selbst zu diesem Punkt durchkämpfen müssen, sondern hätte mir jemand direkt diesen Rat gegeben - mir wäre viel Scheiße erspart geblieben.

Als Angehöriger läuft man rund um eine Krebserkrankung erst mal für alle unter ferner liefen, und man selbst will sich natürlich auch so einstufen. Aber das ist falsch. Oft ist das die psychisch sogar viel anstrengendere Rolle.

War bei uns auch so. Meine Frau war damals Badass deluxe und hat sich optimistisch durchgeboxt (die Diagnose gab ihr wenigstens auch diesen Luxus, denn Heilbarkeit war zum Glück nie ausgeschlossen). Ich hingegen war ein psychisches Wrack, das zum Glück durch Antidepressiva wieder alltagstauglich gemacht werden konnte.

Was man als nicht Betroffener kaum auf dem Radar hat: Jede achte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Man braucht also leider gar nicht mal so viel Pech, um selbst dazu zu gehören.

Das Gute daran: Deshalb gibt es kaum eine Krebsart, die besser erforscht ist. Die Chancen, dass Deine Frau das durchsteht, stehen also ziemlich gut. Gerade auch weil ihre eigene Tastdiagnose dafür spricht, dass der Krebs frühzeitig erkannt wurde.

Ich wünsche Euch alles Gute. Und falls Du Fragen hast: Melde Dich ruhig!


< antworten >