Thema:
Re:Verstehe nicht, warum das manche SO mitnimmt... flat
Autor: JPS
Datum:07.11.24 19:45
Antwort auf:Verstehe nicht, warum das manche SO mitnimmt... von Kilian

>Wie alt seid ihr? Erst 10 oder 12? Oder nicht schon 40 oder gar 50 Jahre und älter!? Als ob ihr es nie erlebt hättet, dass sich Hochs und Tiefs ständig abwechseln und selbst in schlechten Zeiten eine menge Gutes entsteht. Mir scheint, der US-Wahlkampf hat manche Leute verrückt gemacht - als ob all die Katastrophenszenarios, die da von einer 2. Präsidentschaft Trumps gezeichnet wurden, realistisch seien oder gar mit Sicherheit eintreten würden. Das ist natürlich Quatsch.

Ich sehe eigentlich seit Jahrzehnten bzgl. Deutschland nur einen Abwärtstrend, keine sich abwechselnden Hochs und Tiefs. Erweitert betrachtet und in leicht anderer Ausprägung auch für Europa oder generell das westliche System.

Klar geht es wie an der Börse nicht in einer geraden Linie abwärts, sondern es gibt mehr oder weniger starke und lange Schwankungen (was Du dann vielleicht als Hochs und Tiefs wahrnimmst), aber so wie die Börse insgesamt dennoch seit fast einem Jahrhundert nur aufwärts ging, wenn man die Schwankungen ausblendet, so geht es mit Deutschland, seinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und seiner generellen Lebensqualität eben seit Jahrzehnten abwärts.

Vielleicht ist dieses Beispiel der Börse auch gar nicht einfach nur ein zufälliges Beispiel für ein ähnliches Muster, sondern genau die Ursache bzw. die entsprechende Gegenbewegung im Kapitalismus. An der Börse und am Kapitalmarkt profitiert ein kleiner Teil massiv, während es für den Rest entsprechend abwärts gehen muss.

Wo soll der nachhaltige und nicht nur vorübergehende Gegentrend auch herkommen in diesem festgefahrenen System und politischen Umfeld? Da müsste man schon grundlegende Probleme des Kapitalismus, der Demokratie und der dafür geschaffenen politischen und bürokratischen Systeme angehen und nicht nur versuchen die Stellschrauben zum jeweils eigenen kurz- und mittelfristigen Vorteil ein wenig nachzustellen.

Das ist auch keine altersbedingte Verzweiflung - so dachte ich schon als Teenager und 20jähriger und meine Sorge war bereits damals, dass es bei blödem Timing so läuft, dass mich der Tiefpunkt dann in einem Alter treffen könnte, in dem ich körperlich zu schwach bin um an einem möglichen Neuanfang/Neuaufbau aktiv und gewinnbringend teilhaben zu können.

Daher hoffe ich eigentlich nur noch, dass ich bis ans Lebensende und noch mit 63 meine Rente bekomme und alles zumindest so stabil bleibt, dass es mein Leben nicht nachhaltig negativ beeinflusst. An einen Aufschwung und die dafür tiefgreifende Reform des Systems glaube ich zu meinen Lebzeiten nicht mehr wirklich und will das auch altersbedingt nicht mehr miterleben - und bin damit im Endeffekt Teil des Problems.

IMO bin ich damit auch nicht allein - denn alles was die Politik seit Jahrzehnten betreibt sind doch nur kurzfristig gedachte Maßnahmen, wie wohl - trotz Kritik - auch vom Volk so gewünscht, weshalb auch nicht mehr passiert, als dass man seine Hoffnung dann auf eine andere Partei innerhalb des gleichen Systems setzt. Ganz Verzweifelte an den extremen Rändern, der Rest irgendwo im Spektrum zwischen Rot/Grün und Schwarz/Gelb.

Da ist sich wohl jeder selbst der Nächste und hofft nur, dass es irgendwie noch lange genug gut geht und die gewählte Partei im kleinen Rahmen die eigene Situation verbessert. Für einen echten Reformwillen geht es uns noch zu gut und so lange man für sich selbst die Chance sieht, den Tiefpunkt noch bis nach dem Tod zu verschieben, macht man das schon allein aus gesundem Egoismus heraus.

Auch wenn es sich vielleicht so anhört bin ich dabei auch nicht depressiv und hasse mein Leben. Ich brauche also keine Telefonnummer von der Seelsorge - dafür finde ich das Leben viel zu interessant.

Grundsätzlich lass ich Dinge auf mich zukommen und mache dann das Beste daraus und versuche zumindest für alle eventuellen Verläufe wenigstens einen groben Plan in der Hinterhand zu haben - klar kann man sich ärgern, aber meine Zeit zu sehr auf Dinge zu verschwenden, die ich nicht beeinflussen kann, macht keinen Sinn. Einfach das Beste aus den Rahmenbedingungen machen - notfalls auch mit radikaleren Schritten wie Auswandern, wenn ich mir davon eine Verbesserung meiner Situation verspreche.

Wirtschaftlich und von den Lebensbedingungen hat unsere Generation evtl. ein schlechtes Los gezogen, bei dem wir in unseren letzten Jahren schon einen kritischen Punkt erreichen. Mit etwas Glück aber auch eines der letzten guten (wenn auch IMO auf jeden Fall bereits schlechter als noch die Generation unserer Eltern), so dass erst die nächste Generation wirklich durchs absolute Tief muss, bevor es in irgendeiner Form wieder aufwärts geht.

Denn grundsätzlich denke ich schon dass es wieder aufwärts geht und es dieses Auf und Ab gibt, von dem Du sprichst - aber für mich sind diese Tiefs die tiefgreifenden und schmerzhaften Umbrüche, die im Abstand von vielen Jahrzehnten oder Jahrhunderten stattfinden und nicht die kleinen Schwankungen die wir in unserem bisherigen Leben erlebt haben.


< antworten >