Thema:
Re:Vier Wochen später ist sie endlich im Hospiz. flat
Autor: Phil Gates
Datum:18.09.24 00:58
Antwort auf:Vier Wochen später ist sie endlich im Hospiz. von Matt

>Am 21.08. angefragt, wurde sie heute verlegt. Ich hab gestern die neue Stelle angetreten und während der ersten Besprechung mit den beiden GFs, kam der Anruf aus der Klinik. Der Platz im Hospiz ist frei und mit fällt ein Stein vom Herzen. Damit habe ich den Rücken frei, denn sie ist nun top versorgt. OK, die medizinische Versorgung ist eingeschränkt, aber es kommt zweimal die Woche ein Arzt und versorgt sie zumindest so, dass Symptome kontrolliert werden. Nun muss sie selbst auf die Beine kommen, ohne Medikamente. Das ist ehrlicherweise sehr unwahrscheinlich, aber nicht vollkommen unmöglich. Die Ärzte stocherten bis zuletzt im Dunkel herum und es geht auf und ab.
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>Hab sie heute morgen um 7 in der Klinik besucht. Sie schlief friedlich und entspannt. Ich hab dann leise Hallo gesagt und irgendwann hat sie dann auch die Augen geöffnet. Seit Tagen hatte sie mich kaum angesehen.
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>Sie hat dann das warme Croissant gegessen, den Schoki getrunken und dann war ich wieder auf dem Weg.
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>Die Verlegung klappte gut und dort angekommen fragte sie, ob sie in Zimmer 514 käme. 514, das Zimmer in welchem vor 6 Jahren ihre Schwester starb. Unglaublich, an was wann sich erinnern kann. Sie lebt einige Zimmer davor, kann es also nicht abgelesen haben.
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>Ich war dann nach der Arbeit bei ihr. Das erste Mal seit knapp zwei Wochen, dass ich sie außerhalb des Betts sah. Sie saß in einer Cafeteria und hat selbständig das mundgerecht vorbereitete Essen zu sich genommen. Sie war etwas durcheinander aber doch einigermaßen fit. Ich hab sie dann in ihr Zimmer gebracht, im Rollstuhl.
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>Sie war dann einigermaßen entspannt und hat sich regelrecht in den Rollstuhl gelümmelt, wurde dann aber müde. Also hab ich ihr aus dem Rollstuhl ins Bett geholfen. Sie stand sicher, wenn auch in meinem Arm, hat mich umarmt und meinen Rücken gestreichelt. Ohne Zittern, Unsicherheit, aber natürlich sehr schwach. Dass das überhaupt noch mal möglich ist, damit habe ich nicht gerechnet. Damit wurden die letzten Tage der Anstrengung belohnt.
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>Ich hoffe, dass es nun ohne weitere Infekte geht und sie sich erholen und ein paar gute Tage erleben kann.


Junge, ich fühl das so sehr. Erinnert mich an meinen Vater. Genießt jeden Augenblick. Und wenn Du auch in der Probezeit bist: Nimm Dir die Zeit, die Euch bleibt. Ein Arbeitgeber der das nicht versteht ist kein Arbeitgeber für den Du noch 10-20 Jahre arbeiten möchtest. FFP2 usw. sind natürlich in der Situation eh Ehrensache. Meine Cousine, selbst Ärztin in München, wurde von ihren Kollegen in Heidelberg böse zur Sau gemacht als sie ohne Maske und mit Baby auf dem Arm bei meinem Vater auf Intensiv aufgekreuzt ist. Wir konnten das aber entschärfen. Zu dem Zeitpunkt dachten die ja eh, dass er dort innerhalb von Stunden stirbt. Meine Cousine hat dann ne Maske bekommen und mein Vater hat seine Großnichte nochmal im Arm gehabt. Und danach kam er ja sogar nochmal 4 Wochen nachhause und ist bis zum letzten Tag Auto gefahren, hat selbst eingekauft usw. Es besteht die Möglichkeit, dass die Patienten sich nochmal zusammenrappeln und die letzte Energie nochmal für ein paar schöne Tage speichern und dann friedlich gehen. Das wünsche ich Euch auch.

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