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Autor: | Pezking | ||
Datum: | 03.09.24 09:32 | ||
Antwort auf: | Politik in Deutschland und Europa, Nummer 29 von Lord Chaos | ||
Überraschend kam der Mist ja nun leider nicht. Natürlich fragt man sich jetzt, welches Patentrezept denn endlich dazu führen soll, dass die Faschisten wieder in die verdiente Bedeutungslosigkeit gedrängt werden. Eines ist IMO klar: Die Faschisten selbst werden einem dabei nicht behilflich sein. Zwar haben sie natürlich selbst keine effektiven Lösungen für die Probleme der Menschen im Repertoire - aber dafür den unbedingten Willen zum eigenen Machterhalt und zur Aushöhlung der Demokratie und des Rechtsstaats. Und die Chance dazu darf man ihnen auf keinen Fall geben. Das fängt schon beim Thema Bildung und politische Aufklärung an: Aus naheliegenden Gründen sind das nicht gerade die besten Freunde der Rechtspopulisten. Deshalb wollen sie genau dort den Rotstift ansetzen und zudem den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als als Instrument für „Indoktrination und Propaganda“ abschaffen. Ergo dürfen sie nie Regierungsverantwortung tragen. Nun stehen wir vor dem Problem, dass in den letzten Jahren eben keine Möglichkeit genutzt wurde, die AfD zu enttarnen und zu entzaubern. Sie profilieren sich mit Lügen und Parolen pauschal als "Alternative" zu allem, was nervt oder kompliziert erscheint. Nervig und kompliziert erscheint nur allzu leicht die tatsächliche Politik - weil sie es nun mal ist. Und die Akteure in verantwortlicher Position wollen den Laden so gut es geht am Leben halten. Selbst wenn man wegen anderer persönlicher politischer Ansichten glaubt, dass die ein oder andere demokratische Partei dabei in die falsche Richtung arbeitet, so kann man der Union, der SPD, der FDP und den Grünen durchweg nicht diesen besagten Willen absprechen. Keiner von denen ist vorsätzlich auf dem Holzweg unterwegs oder Gegner von Demokratie, liberaler Gesellschaft und Rechtsstaat. Es wäre schon sehr hilfreich, wenn diese Parteien einerseits fähiger als bislang Eigenwerbung für sich selbst machen würden. Eigene Errungenschaften und Leistungen werden der Bevölkerung IMO viel zu undeutlich vermittelt. Leider liegt das auch am chronischen Mangel an Charisma in hohen politischen Ämtern. Rein von der politischen Grundausrichtung her müsste ich eigentlich seit jeher SPD-Wähler sein - aber die Partei hat einfach nicht die passenden Köpfe dafür. Ein Jammer. Nicht auszudenken, wenn Robert Habeck ein Sozialdemokrat wäre. Und andererseits sollte der Respekt untereinander wieder größer geschrieben werden. Wenn die Union der Ampel die Schuld an den AfD-Erfolgen zuschreibt, dann schadet das dem Ansehen der demokratischen Parteien insgesamt. So unsexy das auch klingen mag: In der globalisierten Welt hat eine Regierung nicht alle Fäden in der Hand. Eine Pandemie oder eine Wirtschaftskrise lässt sich nicht einfach so "lösen". Und schlimm finde ich aktuell auch das fast schon pathologische Ampel-Bashing, das der Boulevard betreibt. Ich nehme zwar auch halbwegs beruhigt zur Kenntnis, dass die Bild nicht gerade wie der beste Kumpel der AfD erscheint. Aber die aktuelle Regierung in völlig überzogenem Maße permanent als komplett unfähig darzustellen, hilft auch nicht gerade dabei das Vertrauen in die demokratischen Strukturen zu stärken. Und dann ist da natürlich noch der Sonderfall Ostdeutschland. Natürlich fällt die AfD auch im Westen derzeit auf viel zu fruchtbaren Boden. Aber die Wahlergebnisse im Osten haben nochmal eine andere Qualität. Und IMO liegt das immer noch in hohem Maße daran, dass die Menschen dort vier Jahrzehnte weniger in einer Demokratie gelebt haben als im Westen. Der thüringische Musiker Betterov hat mal in einem Podcast gesagt, dass die Leute jahrzehntelang gelernt haben, allen politischen Machthabern zu misstrauen. Nicht zu glauben, dass es irgendjemand gut mit ihnen meinen könnte. Und wenn man das glaubt, dann ist der Kontrast zu Populisten und Extremisten natürlich auch nicht so stark. Dann ist man eher bereit, auch mal der AfD eine Chance zu geben, wenn unter den anderen Parteien inklusive der Linken bislang nichts so richtig geil war. Weil scheiße sind eh alle, und schlimmer kann es ja wohl kaum werden... Und gegen diesen Irrglauben hilft nur politische Bildung. Das mag keine kurzfristige Lösung sein - aber perspektivisch ist das IMO unverzichtbar. Die Schule muss in dieser Hinsicht lauter sein als Social Media. Und zu politischer Bildung gehört auch, dass man weiß, welche Partei die eigenen Interessen am besten vertritt. Menschen in prekären Lebenssituationen müssen wissen, dass ihnen die AfD ganz bestimmt nicht weiterhelfen wird. Und dass z.B. eine SPD ohne absolute Mehrheit nun mal auch nicht ungebremst machen kann was sie will. |
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