Thema:
2022 wird das Jahr der Gasheizung flat
Autor: Telemesse
Datum:03.05.23 08:50
Antwort auf:Politik in Europa, Deutschland und Ländern #23 von Rocco

Ich hatte gestern eine längere Sitzung mit IHK Vertretern und den großen regionalen Gebäudeverwaltern.
Hier zeigt sich das aktuell der Einbau von neuen Gasheizungen in Bestandsgebäude alle Rekordmarken knacken wird. Das deckt sich exakt mit meinen Erfahrungen in unseren WEG Verwaltungen. Ein hoher Anteil der Bestandsgebäude stammt aus den Bauboomzeiten in den 90ern. Hier stehen bei vielen aktuell Heizungserneuerungen an. Rücklagen für teure Anlagentechnik und/oder aufwendigere Umbauten am Gebäude sind in den allermeisten Fällen nicht vorhanden. Alle Investitionsplanungen der letzten Jahre basierten Kostenmäßig auf dem Tausch bestehender Gaskessel. Alles darüberhinaus führt unweigerlich zu Sonderumlagen für jeden Wohnungseigentümer in schwer zu prognostizierender Höhe. Auch bei den Betriebskosten der Heizungsanlagen bei Umrüstung auf Wärmepumpem herrscht völlige Unklarheit. Die Entwicklung der Strompreise ist völlig offen und der Bedarf eines Industriestrompreisdeckels suggeriert das günstiger Strom bei Privathaushalten eher wünschenswert als erwartbar ist.
Das alles führt zu einer massiven Verunsicherung bis hin zu regelrechter Angst vor nicht zu stemmenden Kosten bei vielen Eigentümern. Besonders fatal ist die Situation in größeren, älteren Bestandsgebäuden aus den 60er und 70er Jahren denen ja nach den EU Gebäudemodernisierungsvorgaben zusätzlich noch eine komplette energetische Sanierung der Gebäudehülle droht. Dazu kommt das die Eigentümer in diesen Gebäuden regelmäßig nicht gerade zu den gutbetuchten Wohlstandshaushalten gehören sondern es sich eher um einfache Leute handelt die diese Wohnungen häufig selbst bewohnen oder mal als Altervorsorge gekauft haben und häufig günstig vermieten.
Auch wenn wir in den Eigentümerversammlungen Alternativen zu Gasheizungen ausführlich vorstellen liegt die Zustimmungsquote bei Beschlussanträgen für Gasheizungen aktuell immer bei 95-100%.
D.h. die Politik die allgemein im Gebäudesektor forciert wird geht faktisch völlig gegen die Interessen der Bevölkerung. Es führt nicht zu Überzeugung und Motivation zum mitmachen sondern verursacht massive Verunsicherung und Ängste bzgl. unberechenbarer und nicht mehr zu bezahlender Kosten. Die Versprechen von günstiger Energie werden massiv angezweifelt.
Wir haben gerade mal für ein Bestandsgebäude aus den 60ern eine Kostenprognose erstellen lassen um es energetisch entsprechend den kommenden Anforderungen zu modernisieren (Gebäudehülle + Wärmeerzeugung). Bei best case Kostenannahmen kommen wir auf ca 1.000 Euro/qm Wohnfläche.
D.h. ein älteres Ehepaar mit einer 80qm Wohnung wäre hier mit 80.000 Euro an den Kosten beteiligt. Das ist schlicht nicht unsetzbar. Selbst bei einer 50%tigen staatlichen Subvention wäre es kostenmäßig nicht tragbar.
Zumal ja völlig unklar ist woher denn die Subventionsgelder überhaupt kommen sollen. Die Kosten hierfür klettern bei näherer Betrachtung in völlig irre Dimensionen.
Alles in allem bin ich (wie hier übrigens alle Innungsvertreter aus dem Verwaltungs- und Handwerkssektor) mittlerweile überzeugt davon das die ambitionierten energetischen Modernisierungspläne für den Gebäudesektor des Herrn Graichen völlig illusorisch und nicht umsetzbar sind.
Ich bin daher mal sehr gespannt was jetzt am Ende bei dem Heizungsgesetz und den energetischen Modernisierungsvorgaben rauskommt und wie die Finanzierungen aussehen sollen.


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