Thema:
Re:Die Diskussion ist so Deutsch! flat
Autor: Bomber
Datum:02.05.23 09:56
Antwort auf:Re:Die Diskussion ist so Deutsch! von Telemesse

>>Im Gegensatz zu den letzten Jahrzehnten hat sich unsere Aussprache und Wortwahl sehr zum positiven geändert. Diskriminierung fängt für einige dort an wo es überhaupt noch zum Thema gemacht wird. Ich persönlich finde es halt wichtig, und auch für mich hilfreich gewisse Nuancen zu verstehen, wenn diese Themen von den betroffenen Kreisen konstruktiv geführt wird. Mir hilft es überhaupt nicht, wenn solche Belehrungen von Nichtbetroffe kommen.
>>Da hilft auch nicht in einer superlativen und hastigen Art u. Weise nun auf diesen Typen zu hacken.
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>>Gesendet mit M! v.2.7.0
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>Das offensichtliche Problem ist doch das eine Diskussion direkt in eine Ecke geschoben wird in der sie gar nicht sein sollte. Es dürfte doch unstrittiger, gesellschaftlicher Konsens sein einen Afrikaner nicht mehr als Neger zu bezeichnen. Mir ist auch absolut niemand ernstzunehmendes in der öffentlichen Debatte bekannt der so etwas fordern würde. Es geht doch vielmehr um die Verwendung des Begriffes im historischen Kontext also insbesondere in Film und Literatur und da darf es imo durchaus auch unterschiedliche Meinungen geben.
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>Steven Spielberg selbst äußerte sich diesbezüglich mal zu Änderungen an der ET Fassung, die er für den Reeboot in den 2000ern selber vorgenommen hatte:
>„Ich hätte das nie tun sollen. ›E.T.‹ ist ein Produkt seiner Zeit. Kein Film sollte durch die Brille überarbeitet werden, durch die wir heute schauen, egal ob freiwillig oder gezwungenermaßen. […] All unsere Filme sind eine Art Wegweiser dafür, wo wir waren, als wir sie gemacht haben, wie die Welt ausgesehen und was die Welt empfangen hat, als wir diese Geschichten herausbrachten.“
>Ähnlich äußerte er sich dabei in Bezug auf Literatur:
>Steven Spielberg stellte zudem klar, dass er entschieden dagegen sei, Werke wegen anstößig empfundener Sprache neu aufzulegen. Hierbei nahm er direkt Bezug auf die Kinderbücher von Roald Dahl, die in einer „entschärften“ Version neu erscheinen – ohne Wörter wie „fett“ oder „hässlich“. Für Steven Spielberg sei dies ganz klar eine „Zensur“.
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>Diese Aussagen würde ich voll und ganz so unterschreiben. Filme und Bücher sind immer Zeitzeugen. Sie repräsentieren Vorstellungen, Gewohnheiten, Sprache und Visionen ihrer Zeit. Völlig unabhängig davon ob man das heute gut findet oder nicht. Sie dienen auch dazu historische Ereignisse und Verhaltensweisen zu verstehen und einordnen zu können. Es ist imo auch für Kinder wichtig zu verstehen weshalb man in der Vergangenheit Dinge gesagt oder getan hat die man heute eben nicht mehr so tun würde weil unsere Welt eine andere ist und unser Erfahrungshorizont auch völlig anders ist als vor 50, 100 oder 200 Jahren.
>Insofern halte ich da den Versuch historischen Kontext im Nachhinein zu verändern, insbesondere in der Literatur, für äußerst kontraproduktiv, da er eben unterstellt, die Menschen wären zu dumm das Gelesene Zeit- und Kontextbezogen einordnen zu können und ihnen eben eigene Erfahrungen und Denkprozesse vorenthalten möchte.


Vorweg: Von der Palmer Geschichte habe ich keinen Plan und sie interessiert mich auch nicht.

zu deinem Kommentar oben; dem kann ich voll und ganz zustimmen. Ich habe, um später meiner Tochter auch die Unterschiede von früher zu heute zu erklären, beide Auflagen des Struwelpeter besorgt. Auch um ihr später zu erklären, warum eine Geschichte in der neuen Auflage fehlt.
Es ist IMO OK, dass bestimmte Werke nur noch kommentiert erscheinen, oder z.B. die Hinweise bei alten Disney Werken, ein Umschreiben, noch dazu von evtl. anderen Autoren, ist meiner Meinung nach Geschichtsfälschung. Um es überspitzt auszudrücken, ist eine kommentierte Ausgabe von "Mein Kampf" richtig und in Ordnung, eine gekürzte Ausgabe, die evtl. sogar den "Sinn" verändert, eher nicht, wenn nicht sogar gefährlich, da es auch den ursprünglichen Autor in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Mit den beiden Struwelpeter Ausgaben, kann ich meiner Tochter später einmal aufzeigen, dass Rassismus auch noch in meiner Jugend fest verankert in der Gesellschaft war. Der Kontext ist hier natürlich SEHR wichtig, doch ein Ändern der ursprünglichen Werke ist in meinen Augen so, als ob wir deutschen kollektiv den Holocaust leugnen würden, da wir damit unsere Vergangenheit leugnen würden.
Noch unsere Generation sind als Rassisten aufgewachsen und dies zu leugnen durch umschreiben von Büchern ist einfach falsch in meinen Augen und lässt uns und unsere Elterngeneration in einem besseren Licht erscheinen, als wir oder sie waren.
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>Zurück zur Palmerdebatte. Was mich massiv stört ist die aktuell von allen Seiten inflationäre Nutzung von 3. Reich Vokabular. Jeder der sich irgendwie mißverständlich äußert, ob bewußt oder versehentlich, ist sofort Rassist und Nazi. Drunter gehts mittlerweile gar nicht mehr. Reaktionen darauf mit Judenvergleichen und Davidsternstigmatisierung sind dann an Dämlichkeit natürlich kaum noch zu toppen sind aber wohl ein trauriges Resultat einer völlig aus dem Ruder gelaufenen, emotionsgeladenen Debatte, die kaum noch Argumente sondern nur noch Vorwürfe zuläßt. D.h. wer, völlig zurecht, Palmer an den Pranger stellt, sollte sich aber auch mal mit den krakelenden Nazischreiermob auseinandersetzen, der zu einer Diskussion imo mitterweile weder willens noch fähig zu sein scheint.


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