Thema:
Re:Rechtspopulisten in Finnland flat
Autor: Droog
Datum:28.04.23 13:58
Antwort auf:Re:Rechtspopulisten in Finnland von Atlan

>>Die Kausalität zwischen Armut und dem Hang zu rechtspopulistischen Gedankengut stelle ich immer mehr in Frage.
>
>Weil du sie bis heute nicht verstanden hast.



Das ist leider ein ganz unglücklicher Einstieg, um eine ernste Diskussion auf Augenhöhe führen zu wollen.

>Es geht nicht um Armut. Wer wirklich arm ist, wählt meist gar nicht mehr.
>Es geht um Abstiegsängste, Kontrollverlust, und vieles mehr bei denjenigen, die in der Regel zwar nicht viel aber trotzdem noch ein bisschen was zu verlieren haben.



Wenn man 2 Autos sein eigen nennt, mehrmals im Jahr in den Urlaub fährt bzw fliegt und eigentlich nicht jeden Cent zwei mal umdrehen muss, dem geht es schon DEUTLICH besser als den Niedrigverdienern in Deutschland. Dieses Klientel möchtet halt diesen verschwenderischen Lebensstil zu kosten auf Natur und Menschen aufrecht erhalten.

>Das Phänomen ist hochkomplex.

Eben.

>Aber folgt spätestens seit den 1920er Jahren und der Weltwirtschaftskrise mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten einem ähnlichen Muster.
>Wie sowas dann in der Praxis funktioniert funktioniert, kannst du beispielsweise in diesem Buch eindrucksvoll lesen:
>
>Reichardt, Sven: Faschistische Kampfbünde. Gewalt und Gemeinschaft im italienischen  
>Squadrismus und in der deutschen SA, Köln 2002.
>
>Deswegen ist in fast allen Industrienationen eine Landkarte der Gebiete mit hohem Rechtspopulismus nahezu deckungsgleich mit einer Karte der strukturschwachen Regionen. Sei es in den USA das Inland und der Rust Belt (Trump), in England der deindustrialisierte Norden (Brexit) und in Deutschland der abgewrackte Osten (AfD). In Frankreich, Italien, etc. jeweils ein ähnliches Bild.
>Denkst du, das ist Zufall?


Es geht doch abein diesem Fall um Staaten, in denen soziale Ungleichheit wesentlich kleiner ausfällt, als den von dir genannten Ländern. In Skandinavien, in der Schweiz und auch in Holland gibt es trotz breitflächigen Wochlstand einen starke und potentiell gefährliche Rechte. Die Gründe sind nicht primär finanzielle Abstiegsängste, sondern kulturell geprägt. Die Angst vor Überfremdung - aber eher durch eine Moschee und nicht durch Ausländer nehmen die Arbeitsplätze weg. Die dürfen nämlich gerne die Drecks bzw Sklavenjobs machen.

>



>Aber all diese unschönen Sachen sind jedoch konstant in einem (erschreckend großen) Teil aller Menschen vorhanden und zwar immer zu jeder Zeit, auch wenn alles tutti ist und kaum jemand rechte Parteien wählt. Warum hat man über die Jahrzehnte betrachtet dann aber nicht immer auch im selben Maße konstant starke rechtspopulistische bis rechtsradikale Bewegungen oder Parteien bei mindestens 20-30%, sondern in der Regel nur periodisch?
>Die Frage ist also, wann und warum sie durchbrechen und sich gesellschaftlich und politisch manifestieren, so sehr, dass sie von Bauernfängern genutzt und weiter aufgeschaukelt werden können. Diese Frage haben sich schon seit vielen Jahrzehnten jede Menge schlaue Leute gefragt, und die (hier jetzt stark vereinfachte) Antwort ist relativ eindeutig: Es gehen fast immer Wirtschaftskrisen voraus und/oder es herrschen (wirtschaftlich) unsichere Zeiten.


...oder so etwas wie die Flüchtlingskrise.

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>Und die Rechten beherrschen dann halt seit jeher die Kunst, diesen anderweitigen Frust und die diffusen Ängste der betroffenen Menschen auf culture wars Themen umzulenken, damit sie nicht auf die Idee kommen, die ökonomische bzw. die Klassenfrage zu stellen (und dann linke Parteien zu wählen, die ihr Leben tatsächlich besser machen würden).


>


>
>Wessen Zorn am Stammtisch jede Woche aufs Neue auf vermeintlich unsere Kinder bedrohende Homosexuelle gelenkt ist (wie es z.B. Thatcher und Reagan in den 80ern gemacht haben) oder heute auf erneut unsere Kinder vermeintlich bedrohende Transsexuelle (Trump etc.) oder Feministen, Veganer, Umweltaktivisten whatever, der hat kaum noch Zeit und Muße, sich über die tatsächlichen aber leider auch sehr komplexen Probleme aufzuregen (Klimawandel, Gesundheit, Soziales). Und kommt dann aus Sicht der Konservativen und Rechten auch nicht auf die "dumme" Idee, linke Parteien zu wählen, die letzteres gerne angehen würden auf Kosten der hinter den Rechten meist stehenden Reichen und des Kapitals.
>Rechte spielen perfekt mit der Aufmerksamkeitsökonomie der Massen und Medien und mit emotionalen aber fürs Alltagsleben der Wutbürger eigentlich total unwichtigen Themen (culture wars), damit alles so (ungerecht) bleibt wie es ist und das Geld weiterhin nach oben fließt, indem ein großer Teil auch der Arbeiter und Angestellten dank culture wars immer wieder dazu gebracht wird, gegen ihre eigentlichen Interessen zu wählen.


Unterschreibe ich.
>
>Was uns wieder zur Anfangsthese bringt, dass die Ursachen für fast alles Schlechte meist ökonomischer Natur sind.



Es spielt definitiv mit rein, eine gute Portion ergibt sich wohl aber auch über den jeweiligen Charakter. Vielleicht ist manchen einfach wichtiger das die Nachbarschaft weiterhin "weiß" bleibt, als das Vorstände der Megakonzerne nicht noch mehr Kohle einsacken.


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