Thema:
"Deutschland: Mangelernährung als Bildungsrisiko" flat
Autor: Atlan
Datum:28.04.22 14:54
Antwort auf:Lebensmittel und Energiepreise von Droog

Passend dazu:

Schätzungen zufolge betrifft Ernährungsarmut mindestens fünf Prozent der Menschen in Deutschland. (...)

Menschen mit geringem Einkommen ernähren sich schlechter, verzehren vor allem weniger Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte und Pilze als Wohlhabendere. Geld ist freilich nicht der einzige Grund, an dem eine ausgewogene Ernährung scheitert, allerdings bildet ein gewisses Budget die notwendige Voraussetzung dafür. Denn eine gesundheitsfördernde Lebensmittelauswahl ist teurer als eine kaloriendichte Kost, zu der greift, wer für wenig Geld vor allem satt werden möchte. (...)

Viele Studien konnten dies belegen, ebenso den Umstand, dass eine gesunde Ernährung mit Hartz IV nicht zu bezahlen ist: Während die Regelsätze heute für einen Erwachsenen rund 5 Euro am Tag für Nahrung und alkoholfreie Getränke vorsehen, bezifferte eine Untersuchung die Kosten einer empfehlenswerten „Vollwertkost“ auf gut 7,50 Euro. Das war jedoch bereits vor 15 Jahren. Seither sind die Lebensmittelpreise deutlich gestiegen. (...)

Eine 2008 publizierte Langzeituntersuchung warnte bereits vor den gravierenden Folgen von Ernährungsarmut. Für ihre Studie werteten Wissenschaftler*innen über Jahre hinweg die Daten von mehr als 250 000 Schuleingangsuntersuchungen aus Brandenburg aus. Ihr schockierendes Ergebnis: Kinder aus schlechter situierten Familien waren im Schnitt signifikant kleinwüchsiger und geistig weniger weit entwickelt als Gleichaltrige aus wohlhabenderem Elternhaus. Dass die Ernährung dafür eine bedeutende Rolle spielt, halten sie für gesetzt: Denn sowohl körperliches Wachstum als auch die Leistungsfähigkeit bestimmter Gehirnregionen hängen wesentlich von einer ausreichenden Versorgung mit Nährstoffen ab. 2020 wiesen Soziologen zudem nach, dass – abhängig vom sozioökonomischen Status der Eltern – bereits bei halbjährigen Säuglingen deutliche Leistungsunterschiede bestehen. Die Schere öffnet sich also nicht erst in der Schule, sondern bereits lange davor, just in einem Zeitfenster, in dem neben der elterlichen Sorgearbeit die Nahrungsversorgung eine besonders prägende Rolle für die Entwicklung spielt.

Trotz bestehender Datenlücken deutet also alles darauf hin, dass sich im reichen Deutschland eine regelrechte Armutsspirale dreht: Menschen in Armut fehlt das Geld für eine ausgewogene Ernährung ihrer Kinder. Diese tragen ein höheres Risiko für eine Unterversorgung mit wichtigen Nährstoffen, haben damit geringere Chancen auf eine gesunde Entwicklung und Bildungserfolge – was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie auch als Erwachsene in Armut leben und es damit schwerer haben werden, ihre eigenen Kinder gesund zu ernähren. Oder kurz gesagt: Armut schafft Mangelernährung und Mangelernährung schafft Armut.


Quelle, Achtung, lang:

[https://www.blaetter.de/ausgabe/2022/april/deutschland-mangelernaehrung-als-bildungsrisiko]


Und das alles war VOR den jetzigen Preisanstiegen... :/


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