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| Autor: | Shigeru | ||
| Datum: | 29.07.21 08:52 | ||
| Antwort auf: | Starkregen in NRW und Rheinland-Pfalz - Land unter von thestraightedge | ||
Unsere Feuerwehr hatte in Schuld einen 24h Grundsicherungsdienst, d. h. wir stellten den Brand- und Notfallhilfeschutz. Weil unsere Aufgabe dort klar war, kamen wir leider nur wenig dazu den Betroffenen zu helfen. Vielleicht ist der Text für den ein oder anderen Interessant, für mich ist es ein Versuch meine Gedanken aus dem Kopf zu ordnen und zu verarbeiten. Ich hoffe ich bekomme da auch ein bisschen Struktur rein und kann es einigermaßen Verständlich machen. Vorab, weiter unten habe ich bereits geschrieben, dass ich 2002 für 10 Tage bei dem Elbe-Hochwasser im Einsatz war. Das was ich in den 24h in Schuld an Zerstörung gesehen habe übertrifft alles was ich damals gesehen habe. Die Zerstörungswut des Wassers ist einfach gewaltig gewesen. Man kann das in Bildern und Videos nur bedingt erahnen. Dazu kommt natürlich die Geräuschkulisse - es sind ständig LKWs, Trecker, Einsatzfahrzeuge etc. unterwegs. Man riecht eine Mischung aus Heizöl, Abgase, leichten Modergeruch und Gülle. In den Gebäuden drin kommt dann einfach noch der Geruch von massiver Nässe wie in einem Weinkeller dazu. Je nachdem wo man sich befindet, sieht man wie stark das Wasser gewütet hat. Dann geht man 200 m weiter und sieht die Überreste eines vermeintlich kleinen Hochwassers. Wenn man immer wieder hört, das ist wie „Krieg“ – ja so stellt man es sich wahrscheinlich vor. Die Feuerwehr Schuld ist nur wenige Meter von der Ahr entfernt. Wie es dort mal ausgesehen hat, kann man sich nicht vorstellen. Rund um das Flussbett gleicht es einem Trümmerfeld. Teilweise hat sich die Ahr dort massiv verbreitert. Ein Einheimischer hat uns erzählt, dass die Ahr sich 1 m tiefer in die Erde gegraben hat. Ein Hang auf der Gegenüberliegenden Seite drohte oder droht noch immer abzustürzen. Die Gebäude über dem Hang sind daher evakuiert worden. Strom und Handynetze funktionieren wohl wieder. Auch wenn es so scheint, dass der Strom immer mal wieder ausfällt - zumindest ist uns das so erzählt worden. Dafür funktioniert noch kein Wasser, dafür stehen an vielen Stellen IBCs mit jeweils 1000l Wasser drin. Diese müssen aber vor Gebrauch nochmal abgekocht werden. Die Feuerwache ist quasi zu einer wichtigen Anlaufstelle für viele Menschen geworden. Einige der einheimischen Frauen kümmern sich dort im Schichtbetrieb um die Verpflegung der Feuerwehr und alle anderen die dort zum Essen kommen. Das warme Essen selbst kommt von einer SEG Betreuung in Warmhaltebehälter (Thermoforen). Hier sind auch Duschen für die Bevölkerung. Hier war wohl vor ein paar Tagen eine Dusche einer Dekontaminations-Einheit (Dekon) der Feuerwehr in Betrieb. Diese ist dann vor wenigen Tagen durch eine Duscheinheit des DRKs für Zeltstätte ersetzt worden. Das entsprechende Heiz-Aggregat hat jedoch nicht funktioniert (war angeblich abgeschlossen) und dank eines T-Stücks am Wasseranschluss lief das Wasser nicht nur in die Duschen, sondern auch überall sonst hin. Die Bevölkerung kam hier regelmäßig vorbei und hat nach der Dusch gefragt, so dass wir uns dem dann annahmen. Wir bekamen Unterstützung durch zwei Kollegen des DRK. Bei dem T-Stück hat dann noch ein einheimischer Feuerwehrkollege Hilfe aus der Umgebung geholt, so dass im Verlauf des Abends die Duschen endlich liefen. Es klingt zwar nach einer Kleinigkeit ist aber für die Leute dort schon war das schon wichtig. Auch ein Anhänger-Waschsalon, voll mit Waschmaschinen und Trockner, wurde geliefert. Der ist wohl gestern endlich in Betrieb gegangen. Unser Einheitsführer (Zugführer) war zugleich für die Einsatzleitung quasi der Fachberater für Feuerwehrangelegenheiten und ständig von A nach B gefahren. Dadurch sind Teile unserer Einheit dann doch etwas öfter Unterwegs gewesen. Der Ort Schuld hat ein TLF (Tanklöschfahrzeug) 16/24 mit 2500 l Wassertank von Magirus zur Verfügung gestellt bekommen. Zwei unserer Leute haben den besetzt und haben damit auch die IBCs gefüllt. Auch ein Hydrant wurde damit gespült, da das THW versuchte über diesen die Wasserleitung wieder in Betreib zu nehmen. Ein weiteres TLF3000 aus unserem Kreis wurde eingesetzt um bei einem Keller zu helfen. Hier benötigte man Wasser um den getrockneten Schlamm wieder feucht zu bekommen, so dass man diesen mit Eimer aus dem Keller holen kann. Das TSF-W (Tragkraftspritzenfahrzeug mit 800 l Wassertank) wurde dann zu einem Biker-Treff gerufen. Hier sollten wir Fenster und Türen verriegeln. Wir konnten zwar die Bretter klein schneiden (Kettensäge ist Standardbeladung) aber hatten aber weder Schrauben noch Nägel zur Befestigung da. Das haben dann private Helfer in die Hand genommen. Gegenüber des Biker-Treffs war, bzw. ist aktuell noch immer, ein riesiger Berg mit angeschwemmten Allerlei - hoch wie ein Haus. Man hat wohl auch alles aus der Umgebung vorher hier hingezogen, transportiert etc. Hier sind mehrere Räumgeräte im Dauereinsatz gewesen und haben versucht den Schutt zu trennen und anschließen auf Kipper zu verladen. Die Zusammenarbeit der einzelnen Organisationen scheint gut zu sein. Egal ob DRK, ASB, Johanniter, THW, Bundeswehr, Feuerwehr oder Polizei. Auf dem kleinen Dienstweg bekommt man dort alles in relativer kurzer Zeit organisiert. Geht man wohl in der Hierarchie weiter nach oben, dauert eben alles etwas länger. Zum Thema private Helfer: Es fahren dort einige private Bagger, LKWs etc. rum. An manchen Stellen sieht das ein wenig wie ein bunter Ameisenhaufen aus. Manchmal wundert man sich warum da noch kein Unfall passiert ist. Man kann auch nur hoffen, dass nichts passiert. Denn spätestens dann wird es kompliziert. Trotzdem ist diese freiwillige und ungebundene Hilfe aber wichtig, damit es voran geht. Denn wir Einsatzkräfte sind nun mal in unserer Struktur "gefangen" und kommen da im Normalfall auch nicht raus. Das bringt Sicherheit für alle aber auch eine gewissen Behäbigkeit. Ohne Einsatzbefehl können wir leider wenig ausrichten! Allerdings sollte man, als privater Helfer, wissen was man dort tun möchte und möglichst schon Kontakt haben mit Stellen die Hilfe suchen. Wir hatten mehrere Anfragen von privaten Helfern die dort angefahren kamen die eine "sinnvolle Tätigkeit" gesucht haben. Sachspenden werden aktuell allem Anschein nach nicht benötigt. Es hingen E-Mails aus, wonach man besser Geld spenden solle. Tatsächlich sind zum Beispiel Getränke in Falschen Palettenweise im Einsatzgebiet vorhanden. Auch Essen und vor allem Süßigkeiten sind Massenhaft da. Vieles davon sind aber auch Spenden gewesen. Wie nachhaltig diese Katastrophe ist wird man abwarten müssen. Es wird in den nächsten Wochen wohl soweit sein, dass die meisten Arbeiten der Einsatzkräfte erledigt ist, so dass diese sich aus dem Gebiet herausziehen werden. Man darf auch nicht vergessen, dass die Helfer auch alle ein normales Leben haben mit Familie und Job! Die Angst, dass man alleine gelassen wird, ist allgegenwärtig. Ich hoffe, die Regierung hält ihr Wort für schnelle und unbürokratische Sofort- und Aufbauhilfe. Denn man hörte in den Gesprächen dort heraus, dass einige Arbeitgeber nicht mehr öffnen wollen oder werden. Der Aufbau wird wahrscheinlich Monate wenn nicht Jahre dauern. Sollte einer aus Schuld mitlesen, Danke für die Unterbringung, die Verpflegung etc. Danke an die Kameraden der Feuerwehr, dass wir im Gerätehaus schlafen konnten und danke auch für euren Einsatz als Ortskundige. Danke auch an die freiwilligen Helferinnen die sich selbstständig in Schichten aufteilten und uns fast rund um die Uhr betreut haben. Ich wünsche euch allen von ganzem Herzen, dass ihr jede benötigte Hilfe bekommt! |
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