Thema:
Re:Ich habe da nix zu Meckern. flat
Autor: token
Datum:16.08.25 13:05
Antwort auf:Ich habe da nix zu Meckern. von Pezking

>Auch heutzutage haben die allerwenigsten Serien ein Budget wie Andor, Rings of Power oder House of the Dragon.

Nur für‘s Protokoll, genau sowas ist aber für mich die Benchmark wenn es heißt wie Kino.

>Und IMO sieht "Alien Earth" bislang nicht wesentlich billiger produziert aus.

>Wo ich Dir allerdings zustimme: Die Regie wirkt viel mehr nach TV als nach Kino. Der grundsätzliche Produktionsaufwand ist hingegen IMO echt respektabel.

Ich mach mal zum Punkt Produktionsaufwand einen Ausflug in meine Studentenzeit. Ich war leidenschaftlicher Filmeschauer und Köln ist ein Standort wo recht viel für Film und Fernsehen produziert wird. Jemanden kennengelernt der als Komparse gearbeitet hat, nachgefragt ob ich das auch machen könnte, gar kein Problem, weil immer gebraucht, kaum war ein kleiner Steckbrief bei einer Agentur fertig kamen auch prompt die Aufträge.

Ich war als Fan aus dem Häuschen, live dabei sein wie das gemacht wird, geil! So geil war das aber nicht. Ein Grundsatzproblem, Filme/Serien sind einfach ein Zaubertrick. Wie eine Show von David Copperfield. Die Illusion für das Publikum ist was ganz anderes als das was auf der Bühne passiert, mit welchen Mitteln diese Illusion konstruiert wird. Wenn du also weißt was da eigentlich passiert kannst du ab diesem Moment nicht mehr das erleben was das Publikum erlebt.

Das ist wenn du Fan des Mediums bist also ein zweischneidiges Schwert, erstmal ist es sehr interessant und überraschend, es ist aber bspw. nicht geil wenn du danach in einem Film einen Dialog zwischen Charakteren siehst, da aber eine Schere im Kopf ist die sagt, lol, was du da siehst ist kein Dialog sondern eine zig mal aufgenommene Szene mit nur einer Kamera am Set aus unterschiedlichen Perspektiven. Die reden gar nicht miteinander. Das ist eine Collage von zeitlich versetzten Einzelaufnahmen. Einzelaufnahmen wo auch welche bei sind wo es sein kann dass bei manchen davon der Gesprächspartner nicht mal anwesend war.

Kurzum, die Illusion bricht, die Immersion bricht.
Dann schaust du einen Film den du liebst und 30 mal gesehen hast, und plötzlich siehst du etwas komplett anderes als die 30 Male davor, bist nicht mehr drin, denkst bei Massenszenen an das aufwendige Catering.

Das gute ist, das Medium ist danach nicht kaputt für dich, einerseits schwächt sich das ab, andererseits kann die wirklich gut gemachte Illusion weiterhin so funktionieren dass du dich komplett vergisst und drin bist.

Aber genau diese gute Illusion erzeugt Kosten. Vor allem Zeitkosten. Und Zeit IST Geld. Alles was da am Start ist wird bezahlt, je mehr Echtweltminuten du für die Contentminute brauchst, umso teurer. Und da geht es nicht nur um Dreh an sich, sondern schon die Planung für den Dreh und was man sich vorgenommen hat um das zu organisieren, wie auch mit wieviel du die Post Production zuscheißt und mit welcher Anspruchshaltung an den Schnitt.

Back to Studitoken. Die Jobs die am meisten Bock gemacht haben waren diejenigen wo man einfach nur Scheiße produziert hat. Es gab etwa nichts besseres als Füllmaterial für historische Dokus zu drehen. Der Tag vergeht da wie im Flug, weil du durchgehend gebraucht und eingesetzt wirst, kaum Leerzeiten, ständig hast du was zu tun, 10 Stunden fühlen sich an wie 3 Stunden und es macht voll Spaß. Da werden die Szenen im Akkord reingeknallt. Ständig hast du was zu tun und was man da tut ist voll lustig.

Weil was brauchst du da? Füllwerk damit der Zuschauer keinen schwarzen Bildschirm anstarrt wenn der historische Erzähler labert. Und was ist des Deutschen liebste Doku? Something Something Zweiter Weltkrieg.

Diese „historischen Aufnahmen“ haben in vielerlei Aspekten keinen Unterschied zur Kinoproduktion. Du hast den Arsch voll von Komparsen, die irrsinnige Orga dahinter, Kostüme, das Catering, Fachkräfte, professionelles Werkzeug das teuer in der Miete ist usw. usw. usw.

Heißt, überspitzt ausgedrückt ist wenn du von Außen drauf schaust vieles an der ZDF History Militärmarsch-Aufnahme gar nicht groß anders als an der analogen Aufnahme für Saving Private Ryan.

Aber natürlich gibt es einen signifikanten Unterschied.
Und aus der Perspektive des Komparsen ist es so, je wertiger die Produktion war, umso schlimmer wurde der Job. Soaps gingen noch, auch da wird schnell getankt und rein damit, good enough, next. Auch da wo sich eine Soap auch mal was gegönnt hat, etwa einen Außendreh in einer Bar oder Disco.

Aber natürlich entstehen schon da die ersten Leerzeiten für den Komparsen, Pausen für Umbauten, Licht muss angepasst werden, Aufnahmen von Dialogen mit zig Aufnahmen wo du entweder die gleiche dämliche Scheißszene drölfzig mal ertragen und immer und immer wieder die gleiche Scheiße im Hintergrund machst, oder noch schlimmer, gar nichts machst, sondern wartest und wartest und wartest und wartest und 10 Stunden am Set fühlen sich an wie drei Tage. Während die Kerncrew tatsächlich komplett unter Strom steht, die sind ständig was am machen, Zeit ist Geld. Nur führt diese Detailarbeit der Spezialisten zu enormen Leerzeiten beim Komparsen, welcher dabei aber obwohl er weniger arbeitet die gleiche Gage erhält.

Genau an diesen Unterschieden hat man gemerkt wo man ist, in was für einer Produktion man ist, wieviel Budget da pro Echtweltminute für Contentminute bereit steht. Und der Abschuss war dann tatsächlich der Fernsehfilm und die dort investierte Detailarbeit und wie wenig Drehzeit man da als Komparse hat, und wenn man dann mal am Start ist wie einem diese NochmalNochmalNochmal-Geschichten irgendwann auf den Sack gehen, gerne mit Pausen zum Stellungswechsel und dann wieder nochmal nochmal nochmal und du auch angeschissen werden kannst wenn du irgendwann die Muse verlierst, was komisches machst und einen Take zerstörst.

Aber genau das ist nun für mich das was ich unter einer wertigen Produktion verstehe die mich vergessen lässt dass das alles nur eine Illusion, ein Zaubertrick mit teils banalen Mitteln ist über die man besser nicht nachdenkt.
Diese Detailarbeit die Zeit kostet.

Und hey, Alien Earth nutzt echte Sets statt Greenscreen, haben das alles gebaut, laufen darin rum, ey natürlich ist das geil, fair enough, und natürlich sind das Merkmale einer hochwertigen Produktion. Aber das ist in meinen Augen die halbe Miete. Den Unterschied macht für mich nicht das Setup aus, sondern ob man in so einem Setup auch die letzte Meile geht. Und je größer der Scope desto komplizierter wird diese letzte Meile.
Da geht es dann darum, wie organisiere ich mein Budget um im Endprodukt diese maximale Wertigkeit zu produzieren.

Und IMO hilft es nicht wenn du einerseits diese aufwendigen Sets hast, aber dann in einer First Contact Crashsite Aufnahme keinerlei Detailarbeit, Idee, Aufbau von Suspense steckt. Und das was ich dann sehe ist, dass ein Dutzend kostümierter Komparsen in ein Bühnenbild läuft denen ein leidlich engagierter Kameramann einfach hinterherläuft und next.

Vielleicht ist es ja das was du mit „Regie“ meinst, was ich aber eher als Production Value verstehe, weil das nicht nur Regie ist, sondern alles was der Szene voraus geht, in der Szene investiert wird, und dann in der Post Production mit welchem Aufwand zusammengesetzt wird.

Und da wirkt Alien Earth für mich über weite Strecken, nicht über alle und auch nicht in allen Aspekten, einfach deutlich mehr wie TV als wie diese Zwischenwelt zum Kino die wertige Serien hinbekommen.


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