Antwort auf den Beitrag "Re:Nach mittlerweile 17 Stunden ziemlich entzückt" posten:
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>Vorweg, Chained Echoes ist ja ein Retro-JRPG und damit im Ring mit Titeln wie Sea of Stars oder Octopath Traveler. Hier möchte ich es mir im Vergleich einfach machen und halte es kurz weil ich lieber CE loben möchte als mich an OT und SoS abzuarbeiten. Wer Bock auf so einen Trip bekommt mit Chained Echoes den imo mit Abstand besten Deal für sowas. Mit Abstand. > >Warum? Weil Chained Echoes etwas schafft was die obigen Games nicht mal richtig probieren. Nämlich den Charme und den Witz dieses Genres zu konservieren, aber eben auch die Probleme die das Genre aus heutiger Sicht mit seinen Überfrachtungen, mühsam langweiligen Lebenszeitverbrennungen, Balancing-Problemen und vielem mehr zu behandeln. Und zwar so, dass das was dieses Genre im Kern so süffig macht erhalten bleibt, aber der ganze, aus heutiger Sicht nervenzehrende Bullshit gestreamlined wird oder mehr Güte erhält. > >Dies geht schon erzählerisch los, und das ist besonders erfreulich. Denn Oldschool-JRPGs sind ja langsame unaufgeregte Spiele ohne großartige Finessen, und da ist es auch wichtig dass bei Welt, Story und Charakteren auch was funkt. > >Das ist hier in meinen Augen absolut der Fall. Wir haben eine Welt mit Menschen und verspielten Fantasycharakteren, einen Kontinent mit mehreren Fraktionen, ihren Akteuren, und der Dramaturgie eines Kriegszustands. Wir haben Helden die als Zweckgemeinschaft starten, im Laufe der Handlung aber auch eine Dynamik in der Gruppe entwickeln, so dass man keine statischen Abziehbilder hat, sondern eine Gruppe die sukzessive zusammenwächst und sich hierbei auch nicht immer in allem grün ist. Und wir haben Antagonisten die nicht böse sind weil sie böse sind, sondern nachvollziehbaren Motiven folgen, auch selber Problemen und Rückschlägen begegnen, teils auch mit sich selbst punktuell ins Hadern geraten. > >Zusammengefasst, das ist schon alles äußerst süffig, und versteht es diesen Sweetspot zu treffen, dass Entwicklungen nachvollziehbar und überschaubar bleiben, dass man das rüber bringt worauf es wirklich ankommt und einen nicht unendlich lang mit Textboxen vollzuscheißen. Es ist angenehm seicht, hat aber dennoch das nötige Profil um einen investiert zu halten. Ich folge hier tatsächlich mit Interesse der Entwicklung anstatt alles mit Buttonspamming wegzuklicken und darüber fassungslos zu werden dass es einfach nicht aufhört. > >Und das Writing ist echt gut. Witze funktionieren. Pacing ist straff. Es gibt immer wieder kleine Wendungen und Überraschungen. Dialoge sind so dass man sich vorstellen kann dass Charaktere auch wirklich so miteinander sprechen, und bringt auch einige Momente mit wirklich starken Lines mit wo die Mundwinkel anerkennend nach oben gehen. Die Oneliner von Stadt-NPCs geben der Welt und was gerade in ihr passiert Profil. Es gibt keine "Ich brauche drei Eier für meinen Kuchen die beim Händler in der Nebenstadt geholt werden können wenn du im Medizin für die Hühner besorgst und meine 14 Kinder haben sich in der Stadt versteckt und sollen zum Mittagessen kommen"-Fetchquest--Spielzeitstrecker-Scheiße. Das Spiel schafft es sehr linear und auf den Punkt zu sein, und sich dabei dennoch nicht wie ein Tunnel anzufühlen. > >Auch bzgl. der Spielsysteme bin ich voll des Lobes. Vieles an Mikromanagement das einfach keinen echten Zweck erfüllt wird gekonnt des gestreamlined. Nach jedem Kampf wird etwa alles an Lebenspunkten und Fähigkeitspunkten einfach automatisch aufgeladen. Auch Tote werden einfach wiederbelebt. Heißt, einerseits muss man nicht ständig seine Zeit mit diesem Micromanagement verfolgen einerseits, andererseits ermöglicht genau das auch ein gutes Balancing, Kämpfe sind selten Füllwerk wo man drei mal A für Alles Töten drückt. > >Man wird vom Spiel dazu gebracht das rundenbasierte System mit seinen einfachen aber durchaus Dynamik reinbringenden Twists auch auszuspielen, wird vom Spiel und seinen Abläufen auch dazu gebracht die volle Bandbreite des Systems zu nutzen. Einfaches Beispiel, der Overdrive-Balken. Jede Aktion kann einen Regler auf diesem Balken nach rechts oder links verschieben. Es gibt ein Intervall auf dem Balken, der nennt sich Overdrive. Da willst du sein. Die Chars nehmen weniger Schaden, teilen härter aus, verbrauchen weniger Fähigkeitspunkte. Und dann gibt es den Overheat-Bereich. Man ahnt es, man wird da schwächer, kassiert härter, Fähigkeiten werden teurer. > >Und das Balancing im Spiel ist tatsächlich so, dass im Overdrive Dinge die passieren handhabbar bleiben, aber ein overheaten aus deinem Kampf ein Kartenhaus macht wo auf einmal alles abwärts geht und du merkst, ich muss raus aus dem Overheat, sonst bricht hier alles zusammen. > >Und das Ding ist, irgendwann hat man in JRPGs in der Regel eine Form von Todo-Liste die dann in jedem Kampf einfach gleich abläuft. Ein Kampf ist einfach nur noch ein inhaltlich komplett uninteressanter Deal bei dem es heißt, du gibst mir Lebenszeit, ich geb dir Exp. Und je mehr Exp du kriegst, umso uninteressanter wird es in der Folge, vielleicht senken sich dadurch deine Lebenszeitkosten. > >Und Chained Echoes schafft es in meinen Augen genau dieses Problem zu heilen, und zwar so, dass das System simpel bleibt, denn so will ich das auch in dem Genre haben, ich WILL dass es halt auch ein wenig dumm und einfach bleibt, und ich nicht wie bei Xenoblade schon nach einer Woche Spielpause wie der Ochs vorm Berg stehe und schon nicht mal mehr verstehe was ich mir da an Systemen zusammengesteckt hab und wie die auszuspielen sind. >Aber es soll dabei auch angenehm dumm sein, und nicht komplett hirnamputiert. > >Und CE balanced sich mit diesen einfachen Logiken so, dass auch ein normaler Oberweltkampf ein Mindestmaß von Anforderungen mitbringt, und die Dynamiken im Overdrive-System dich fast schon dazu zwingen nicht immer das gleiche Pattern auszuspielen, weil du halt nicht in Overheat kommen möchtest, und das lässt sich nur vermeiden wenn du in gewissen Situationen Dinge tust die du eigentlich gar nicht aktiv möchtest, und dann kucken musst wie du dann genau das zu deinem Vorteil inszenieren kannst. > >Entsprechend haben die Kämpfe eigentlich immer ein schönes Maß an Spannung und vor allem Varianz in den Abläufen, und das so, dass es dabei dennoch schön JRPG-Style relativ simpel bleibt und keine Raketenwissenschaft. > >Und dabei kommt zudem ein weiteres Metasystem zum Einsatz wo man sich so eine Art Minibuilds bauen kann. Und hier wäre auch mein erster kleiner Kritikpunkt. Nicht wegen dem System an sich, weil hier merkt man irgendwann dass damit schon paar ziemlich coole Dinge gehen die einen spürbar mächtiger machen und Komfortzonen eröffnen im Kampf. > >Es geht dabei um Kristalle die man in Waffen oder Rüstungen einsetzen kann. Anfangs hab ich das ignoriert, aber nach einer gewissen Zeit verstanden was damit geht, und das war dann zu stark um es zu ignorieren. Solche Kristalle die man einsetzt, bringen Fähigkeiten mit, teils sind es einfach nur Buffs wie 10% mehr von X-Schaden oder dass man gewisse Immunitäten für Statusveränderungen mitbringt. Aber eben auch Auslöser, bspw. dass wenn man getroffen wird, mit gewisser Wahrscheinlichkeit ein Health-Regen bekommt, dass wenn man den Char im Kampf swappt die Fähigkeitspunkte geladen werden usw. > >Und da lässt sich dann eben doch einiges auf Charaktere und welche Funktion sie im Kampf ausfüllen so sinnstiffend zuschneiden dass es einen ziemlich spürbaren Unterschied macht, dass man Synergieeffekte heben kann, dass sich dadurch gar gewisse Playstyles eröffnen. > >Das Problem an diesem System ist dessen Management. Statt einem Menü wo man alles machen kann, also Kristalle kombinieren, irgendwo rausnehmen und irgendwo rausnehmen, ist alles davon in eigenen Menüs. >Beispiel. Ich hab was für einen Char in dessen Rüstung geschoben. Damit bin ich zufrieden. Ich bekomme bessere Rüstung für den Char. Jetzt muss ich in einem Menü die Rüstung wechseln. Dann muss ich in ein Menü um die Kristalle aus der alten Rüstung zu entfernen (es gibt obendrein ein eigenes Menü für Waffen), dann muss ich in ein anderes Menü um es in die neue Rüstung zu kleben (es gibt obendrein ein eigenes Menü für Waffen). > >Diese hemdsärmlige Fragmentierung ohne jede Not macht mich wahnsinnig und triggert mich als GUI-Autist. Komplett betriebsblind für gute Benutzerführung. In jedem Menü mach ich das gleiche! Das sind nicht unterschiedliche Menüs! Das ist ein Menü! Wo ich all das in übersichtlichen Masken sehe. Und obendrein, die Scheiße hat auch nichts an Rüstungen und Waffen verloren. Es sind Dinge wo man möchte dass der Char das kann. Also kleb es auch an den Char. Gib ihm einen Gürtel für Kristalle und feddich, so bleibt man Build stabil wenn ich eine bessere Waffe finde, und ich kann das Managementmenü nochmals stark verschlanken. > >Man kann sich damit arrangieren wenn man die Abläufe verstanden hat, und man hängt da auch nicht ständig ab, sondern alle paar Stunden checkt man so die Builds durch ob man was cooleres reißen kann als das was man hat. Es ist nicht wirklich schlimm, nur komplett unnötig, vor allem weil das Design des Spiels für so viele Dinge die im Genre passieren und von Memberberries einfach kopiert werden statt das zu hinterfragen, diesen Feinsinn für deutlich coolere Lösungen mitbringen. >Aber kein Dealbreaker, Schwamm drüber. > >Abschließend zum Feinsinn, ist auch dass es keine klassischen EXP und Leveling gibt. Auch gut. Alles bleibt in Balance, es hängt an gewissen Meilensteinen dass man eine neue Fähigkeit am Char freischalten kann, und diese Entscheidungen sind dann auch interessant und spannend, weil das kein +1 von Fantasiewerten ist, sondern in der Regel ein, ich kann dann was was ich vorher nicht konnte. > >Nichtsdestotrotz wird das Leveling nicht komplett geschmissen, pro Kampf erhält man FP, und diese FP kann man nutzen um passive Fähigkeiten die man freigeschaltet zu verstärken. > >Und so schließt sich der Kreis, darüber was Chained Echoes so bemerkenswert gut macht. Es löst die Probleme der 16-Bit-Spiele und konserviert dennoch was an diesen damals nicht zu Ende gedachten Systemen dennoch Spaß macht. > >Ich hab eine super Zeit mit dem Spiel, statt mich nach einer gewissen Spielzeit zu ermüden, gefällt es mir eigentlich von Stunde zu Stunde nur besser. >Wenn man mich fragen würde, ich will dieses Jahr nur ein JRPG spielen, was nehme ich da? This!
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