Thema:
Re:Celeste - Late to the party flat
Autor: Jassi
Datum:18.07.24 21:13
Antwort auf:Re:Celeste - Late to the party von token

>Meine Tochter ist mittlerweile fitter in der Birne als ich es je war. Der einzig verbliebene Vorsprung um noch was mitzugeben ist Lebenserfahrung. Und der sag ich immer, es sind nie die gescheiterten Vorhaben die du irgendwann mit ins Grab nimmst sondern die nicht in Angriff genommenen.


"Sie ist ein Kind, siebzehnjährig, also im Vollbesitz ihrer Intelligenz, dabei frei von Erfahrung,infolgedessen schweigsam mit ihrer Patisserie; nur das unwillkürliche Zucken ihrer Mundwinkel und manchmal das Flackern ihrer Augen verrät ihre Ungeduld, wenn sie lauter Selbstverständlichkeiten hört, beispielsweise, daß
die Frau einen gelernten Beruf brauche, um unabhängig zu
sein, lauter Selbstverständlichkeiten. Wozu diese umständlichen Beispiele! Schiffbrüche andrer interessieren nicht; Beatrice braucht keinen Trost, sondern
seine Unterschrift und das Geld für eine bessere Schule;
ihr Anspruch ist blank und lauter, kein Anspruch auf
Kameradschaft, und es erübrigt sich, daß ein Vater, um
sich anzubiedern, von seinem eignen Leben erzählt und
von seinen schweren Fehlern; das Kind sieht sie ohnehin,
lächelnd, Blick hinüber zum Park. Dagegen ist nicht
anzukommen, Gantenbein sieht es, gegen Intelligenz ohne
Erfahrung. Was will er eigentlich? Seine Unterschrift und Patisserie, das genügt. Wie soll ein Kind, und sei es noch
so lieb, auf die Idee kommen, daß der Vater auch seine
Misere hat? Das ist doch seine Sache. Wie alle, die heute
noch am Zug sind, gehört er zur Vergangenheit, und die
Gegenwart ist nicht der Vater mit der Tochter, sondern die
Tochter. Das wäre noch schöner, ein Vater, der nicht hilft!
Er redet vielzuviel, nachdem er die Unterschrift gegeben
hat, Beatrice hat recht, er sieht es durch den Rauch seiner
Pfeife oder Zigarre, ihr Lächeln leicht und kühl, ihr
Erröten über den Vater, der auf Kameradschaft angewiesen ist – Gantenbein ruft endlich den Kellner und
zahlt; drüben im Park wartet ihr Freund, der sie am Arm nimmt …
Ach mein Kind.
Es wird seinen Weg schon gehen…"  


(Max Frisch - Mein Name sei Gantenbein)


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