Thema:
Auch durch (leichte Spoiler) flat
Autor: Slochy
Datum:27.06.24 19:59
Antwort auf:Still wakes the Deep - Neues von The Chinese Room von Bacardi

Kann man sich gut geben. Wer Esther und Rapture kennt, der bekommt grundsätzlich genau das, was zu erwarten war: Eine quasi Walking Sim mit hoher narrativer Dia- sowie Monologdichte und vor allem superber schottischer (!) Sprachqualität (Untertitel sind ein Muss), durchblutet von den üblichen Dilemmata wie krieselnde Liebe, Sehnsucht, Reue, Schmerz, Angst vor Verlust und all diesen Dingen, die gerade nicht greif- oder kittbar sind, weil man halt auf einer Ölplattform fernab der schottischen Küste ums Überleben schleicht/rennt/klettert/schwimmt.

Bisschen mehr Gameplay ist also am Start, nimmt den Spieler in den meisten Situationen aber für meinen Geschmack zu sehr an die Hand und bedient sich halbgar mancher zementierter Genre-Tropes, die entweder überstrapaziert werden (aufzuschraubende Lüftungsgitter) oder schlicht unnötig sind (Spinde zum Verstecken). Da es strunzlinear ist, kann man sich eh nicht verlaufen, was das Spiel dennoch nicht daran hindert, überall gelbe Farbmarkierungen in die Szenerie zu schmieren, damit auch der letzte Doofie schnallt, wo's langgeht. Das artet stellenweise echt ins lollerig Absurde aus.

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Andere Interaktionen bestehen aus gefühlt unendlich vielen Ventil-dreh-Aufgabenstellungen, da man in feinster Fetch-Quest-Manier von anderen indisponierten Crew-Mitgliedern mit den abenteuerlichsten Problematiken betraut quer durch/über die Bohrinsel geschickt wird, um irgendwelches Gedöns ein- oder auszuschalten. Zwischendurch gibt's die üblichen Verfolgungs- und Schleich-Passagen gegen grotesk designtes Ungetüm, die den Ruhepuls zwar etwas in Wallung bringen, aber insgesamt recht easy zu bewältigen sind. Quicktime-Action-Events gibt's ebenfalls zuhauf, die einen irgendwann glauben lassen, man hätte es mit "Uncharted 5 - Deepwater Horizon" und der Kontrolle Nathan Drakes persönlich zu tun. Fand ich bissken unpassend.

Die Bohrinsel selbst ist der klare Star der Show, denn das Gefühl, sich auf einer echten, massiven Ölplattform zu befinden, auf der das Chaos ausgebrochen ist, kommt gut rüber. Dank Unreal Engine 5 sieht hier alles ziemlich fett aus und klingt auch so. Ob nahezu verschwenderisches Geprotze mit Details oder die verzerrten Stimmen der von Höllenqualen gepeinigten (Ex-)Kollegen: Die audiovisuelle Präsentation ist absolut geil!

Gegen Ende gibt's mit HDR-Gewitter im Schlepptau noch richtig fette Farbspektakel in regnerischer, wellenpeitschender Gischt. Da schlackern die Grafikhuren-Nüstern! Am PC, Ausnahme wohl die Gamepass-Version, die keine Nvidia-/AMD-Upscaling-Optionen anbietet, sind gemäß der Engine alle State-of-the-Art-Technikspirenzchen am Start, um auf halbwegs zeitgemäßen Kisten mühelos einen ordentlichen Kompromiss aus Optik und Performance zu finden. Shader- oder andere Ruckler habe ich keine bemerkt, das lief komplett sauber durch. Ist mittlerweile auch alles andere als selbstverständlich.

Unter'm Strich ein echt okayer Snack in atmosphärisch unverbrauchtem Setting und einem Mix aus The Thing, Color out of Space und Annihilation. Wer sich da irgendwo wiederfindet, der kann ruhig zugreifen. Nach ~6 Stunden ist die Küche aber auch schon wieder kalt. Was mir wiederum gut gefiel, denn auf irgendwelchen künstlich gestreckten Filler-Blödsinn wird hier komplett verzichtet. Das Pacing ist von Anfang bis Ende top.


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