Thema:
Aeterna Noctis (Deck) flat
Autor: token
Datum:29.05.24 12:02
Antwort auf:Durchgezockt Nr. 40 - Vorhang zu und alle Fragen offen von Schlomo

Da ich schon an mehreren Stellen was zum Spiel geschrieben hab, versuche ich es hier mal etwas kürzer zu halten.

Ich hatte Aeterna Noctis vor rund zwei Jahren schon für PS5 gekauft, dann aber nach etwa sieben Stunden hochgradig frustriert wieder abgebrochen. Grund des Abbruchs war nicht dass mir das Spiel nicht gefallen hat, sondern dass es mir einfach zu schwer war. Nach noch okayem Beginn ging das Game für mich in ein Stahlbad über, wo ich auch das Gefühl hatte, das was das Spiel an Skills abfragt ist auf einem Niveau das ich auch mit viel Übung nicht erreichen kann, wie jemand der keine Arme hat und einen Handstand machen soll.

Selbst im einfachen Traverse hab ich mich von Screen zu Screen gekämpft, einzelne Challenges um Collectibles zu erreichen schon rein vom Ankucken des Tracks als für mich unmöglich abgehakt usw.

Aber das Spiel ließ mich auch nach nun zwei Jahren nach dem Abbruch nicht los, ich konnte es nicht abhaken, und als ich es im Angebot für Steam gesehen hab, entsprechend beschlossen es nochmal auf dem Deck zu probieren.

Schon recht bald stieß ich im Spiel auf ein vermeintlich einfaches Hindernis das ich einfach nicht auf die Reihe bekommen hab. Rückblickend war genau das eine Art persönlicher Genichiro-Moment. Dieses Ding wo es ein Spielerlebnis davor gibt, etwas was für dich erstmal unmöglich wirkt, und dann ein Spielerlebnis danach, was nichts mehr mit dem Spielerlebnis davor zu tun hat und du nur so denkst:
"Ich sehe die Matrix!"

In diesem Prozess, der durchaus schmerzhaft war, Stück für Stück bemerkt, dass ich bspw. Details der Steuerung komplett falsch verstanden habe und/oder falsch einsetze und es mir so unnötig schwer mache. Timings für die ich mich konzentrieren musste und versucht habe reaktiv zu treffen, ins muscle memory übergingen und dann einfach automatisch und ohne Nachdenken der richtige Moment getroffen wurde usw.

Nach dieser Stelle wurde alles exorbitant besser. Challenges die vorab oftmals mühsam und frustrierend ausfielen entwickelten einen "Noch ein Versuch"-Sog bei dem ich die Zeit vergessen hab. Zeit vergessen ist auch ein gutes Stichwort, denn auch wenn der Umfang auf dem Papier erschlagend wirkt, fand ich das Spiel viel kurzweiliger als deutlich kürzere Games und war eher überrascht als ich die Gesamtspielzeit gesehen hab (35 Stunden), weil mir das überhaupt nicht so vorkam.

Das liegt denke ich einerseits daran dass Game einem einen gewissen Fokus abfordert und das dazu führt dass man darin versinken kann und sich vergisst. Du bist halt nicht mehr auf der Couch und drückst Knöpfchen, sondern verlierst dich im Spielerlebnis. So hat sich bspw. ein frühes Störgefühl das ich anfangs hatte ins Gegenteil verkehrt. Anfangs hat mich der gehobene Anspruch im reinen Traverse genervt. Ich hab gedacht, meine Güte was für ein Gefrickel um einfach nur von A nach B zu kommen, was das an Zeit kostet. Ist aber die Grundsicherheit für das Interface da, dann führt genau dieser gehobene Anspruch dazu dass selbst reiner Traverse sehr immersiv und vergnüglich ausfällt, es braucht halt ein Grundmaß an Konzentration mit bewusstem Spiel statt gedanklich bei seiner Steuererklärung rumzueiern, und sitzen Basics kostet das von A nach B einfach nicht die Zeit die man dachte, stattdessen ist reiner Traverse schon für sich sehr vergnüglich und unterhaltsam und quality time.

Und ging es an optionale Challenges, etwa um bestimmte Collectibles zu holen, da hab ich teilweise erlebt, dass ich unterwegs so auf Tracks und ihre Problemstellung geschaut habe, und direkt abgewunken hab in der festen Überzeugung, also lieber box ich mir selbst ins Gemächt als mich auf sowas einzulassen. Und paar Stunden später komm ich im Backtracking an der gleichen Stelle vorbei und sehe den Track und denk nur, das hast du liegen lassen? Come on, rein da!

Ich habe selten eine derart befriedigende, und vor allem, bis zum Endgame intakte Lernkurve erlebt. Vom Start bis zum Ziel versteht es das Aufgabendesign Spielregeln etwas zu ändern, Patterns abzufragen die es vorher nicht abgefragt hat, und einen so durchgängig zu kitzeln und fokussiert zu halten. Das zahlt dann auch darauf ein dass sich die gefühlte Spielzeit so exorbitant kürzer anfühlt als die vergangene Echtzeit. Mit seiner Abwechslung beim Artdesign und wie Biome gestaltet sind und immer wieder geänderten Aufgabenstellungen die gekonntes Abfragen aber immer wieder mit Twists anreichern hält man hier trotz des hohen Umfangs immer eine gesunde Grundspannung aufrecht so dass die Zeit wie im Flug vergeht.

Und speziell als ich dann im Endgame wie ein Zirkusäffchen durch die Sets geturnt bin und selbst gar nicht fassen konnte was ich da mache, wollte ich nur noch ausrufen:
"Kuck mal Mama, Mama, Mama, MAMA KUCK! Kuck was ich da mache!11 *Purzelbaumschlag*"

Gab es Dinge die ich nicht mochte. Durchaus, aber das waren für mich auch Probleme die ein Stück weit ignorierbar sind. Allem voran das Questdesign nach Soulsmanier mit viel intransparentem Stückwerk was mir persönlich wenig Spaß macht, so dass ich viele Quests auch liegen ließ und eher durch Zufälle progress gemacht hab.
Auf dem roten Faden hingegen, innerhalb der Biome, war aber fast durchgehend ein schöner Flow da mit einer guten Balance zwischen Explore und Biom verstehen, und doch schnell und durch das Spiel geführt begreifen was man eigentlich tun muss.

Schlussendlich eines der besten Metroidvanias das ich je gezockt hab, ein unglaublich intensives und befriedigendes Spielerlebnis, und mit seinem teils gnadenlosen Platforming ein für mich erfrischender Anstrich im Genre, auch wenn genau das mich initial im Erstanlauf auch ordentlich gefhutat hat ;)


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