Thema:
Eliza und Islets (Deck) flat
Autor: token
Datum:14.05.24 07:21
Antwort auf:Durchgezockt Nr. 40 - Vorhang zu und alle Fragen offen von Schlomo

Eliza hab ich als Empfehlung aus der Frage nach einer Visual Novel mitgenommen, wo schon JCD eine gute und treffende Beschreibung hinterlassen hat:
[https://www.maniac-forum.de/forum/pxmboard.php?mode=message&brdid=1&msgid=5359834]

Es hat mir wie erhofft richtig gut gefallen.
Spielerisch passiert hier, wie erwartet, nicht wirklich viel. Wobei vermutlich noch weniger als in anderen Genrevertretern, die wie ich mitgenommen hab, Rätseleinlagen oder andere Formen von Minigames mitbringen.
In Eliza klickt man sich maßgeblich durch Dialoge.

Dieser Fokus ist natürlich auch legitim als interaktive Novel. Dann muss es allerdings auch erzählerisch passen und für meinen Geschmack das Medium Videospiel auch so genutzt werden dass man hinterher nicht denkt, why, das hätte ich auch einfach lesen können.

Beides ist bei Eliza der Fall. Writing und Dramaturgie ist sehr gut und spannend, und der Gebrauch des Mediums ist clever, so dass obwohl man eigentlich die ganze Zeit nur A drückt die Geschehnisse im Zusammenspiel mit deinen Eingaben was in deinem Kopf machen was so beim einfachen Lesen nicht zünden würde.

Die ganze Aufmachung findet weitestgehend in Standbildern statt, die ich visuell ansprechend und stilsicher fand. Bemerkenswert sind die außerordentlich guten Sprecher, die einen sehr hohen Anteil daran haben dass das Konzept hinter Eliza insgesamt zündet.

Da es einen harten Erzählfokus hat und der, ich sach mal Gamingaspekt, eher homöopathisch dosiert ist, sollte man natürlich auch inhaltlich damit relaten können. AI, Therapie, ethische Fragestellungen beim Einsatz von AI, wie auch klassische psychische Belastungen der modernen Gesellschaft. Wo du keine aufregenden Schizos mit dreizehn Persönlichkeiten hast, sondern alles grounded ist, und es um Themen geht mit denen man ab einem gewissen Alter in der einen oder anderen Form einen Bezug zu hat. So kann die ein oder andere virtuelle Therapiesitzung auch zu einem Spiegelbild eigener ungesunder Gedanken, Sorgen, Ängste und Komplexe werden.

In meinem Fall konnte mich der gesamte Erzählkomplex außerordentlich gut mitnehmen weil ich auch so an all diesen Aspekten ein hohes Interesse habe. Allerdings bringt man durch so ein Interesse auch einiges mit wo man merkt wie clever das Spiel Aspekte dieser Themenkomplexe behandelt. Und mein Eindruck war allerdings auch dass das Game einiges liegen lässt wenn es darum geht solche Hintergründe einem komplett blanken Spieler indirekt zu erklären. Aber bei diesem Eindruck kann ich mich natürlich auch täuschen.

Hier noch ein Link zu dem worauf die Idee des Spiels wenig subtil aufsetzt:
[https://de.wikipedia.org/wiki/ELIZA]


Islets hatte ich hier häufiger als Metroidvania-Empfehlung aufgeschnappt. Es ist wieder einmal so ein Ein-Mann-Projekt wo man staunt wie eine einzelne Person sowas hinbekommt, wobei hier noch der Bruder beim Soundtrack half.

Aufmachung und Artstyle haben mich am ehesten an die Mumins erinnert, es hat auch Anzüge früher Ghibli-Werke. Die Stimmung, Figuren und die Geschichte haben entsprechend auch etwas angenehm kindhaft märchenhaftes, halten sich wunderbar knapp, und sind bunt und lebensbejahend mit einer Prise Gefahr und Bedrohung gewürzt inklusive einfachem und nicht unlustigem Humor. Damit bildet Islets atmosphärisch einen schönen Gegenentwurf zu den Depressionshöhlen die das Genre dominieren.

Richtig rund und super gelungen sind alle Coremechaniken, egal ob es um Traverse oder Battle geht, alles geht super fluffig von der Hand, fühlt sich snappy und richtig an, wobei das Spieltempo insgesamt, also die Geschwindigkeit in der Projektile fliegen, Gegner Attacken signalisieren, die eigene Airtime beim Sprung usw. gefühlt bei so 80% gewohnter Spielgeschwindigkeiten liegen. Was ich mit alternden Reflexen sehr angenehm fand.

Auch gefallen hat mir die Kompaktheit mit einer Spielzeit von unter 10 Stunden, bei welcher Islets das Genre nicht neu erfindet, aber durchaus äußerst kreative Eigenheiten in den Ring wirft die sehr gut funktionieren.

Auch wenn das obige alles recht tiefenentspannt wirkt, bringt Islets durchaus einen leichten Soulseinschlag mit wenn es um den Anspruch geht. Etwa Bosskämpfe wo man auch mal Puste und Geduld braucht. Das Optionsset bringt allerdings auch Einstellungen mit, mit denen man das Spiel auch zu einem Sonntagsspaziergang ummodeln kann. Ich wollte es auf halber Strecke etwas entspannter haben und hab den SKG runtergesetzt, imo funktioniert das Game sowohl in seinen Herausforderungen als auch im optionalen Chillmode sehr gut.

Figuren fand ich knuffig, Artworks zuweilen wunderschön. Wenn ich was zu kritisieren hätt, dann wäre es das schablonenhafte Rechteckdesign der Levels über alle Welten hinweg. Natürlich stecken im Kern hinter 2D-Games genau solche Rechteckstrukturen, aber die meisten Games wissen dies gut mit organischeren Erscheinungsbildern zu kaschieren. Das ist hier nicht der Fall. Aber da muss man auch der Teamstärke bei der Entwicklung Tribut zollen ;)
Und dieses Design bringt auch Vorteile mit, so ist Spiel- und Levelstruktur jederzeit klar und transparent und kommt so ohne nerviges Herumgeirre aus.

Wer einen kurzen und sehr gelungenen MV-Snack sucht ist hier goldrichtig.


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