Thema:
Bloodstained - Ritual of the Night flat
Autor: Mangamaniac2171
Datum:25.01.24 12:46
Antwort auf:Durchgezockt Nr. 40 - Vorhang zu und alle Fragen offen von Schlomo

Spoilers ahead, be warned:

Bloodstained RotN war im klasse Wichtelpaket von StefanK zu Weihnachten 2022 enthalten und ich hab mich riesig darüber gefreut. Das rare Premium Jahr 2023 hielt mich dann davon ab, es anzuzocken und wurde erst kürzlich angefangen, vor allem mit der Installation des Updates, welches sich zwei Stunden lang hinzog.

Ausserdem anzumerken sei, dass ich abgesehen von diversen Metroids und der Ori 1 Demo keinerlei Metroidvania Erfahrung bewusst erlebt habe oder Erinnerungen hege an einen anderen Teilnehmer dieses Genres. Die Top 20 auf jeden Fall nicht (zählt Limbo?) und es ist auch definitiv kein einziges Castlevania auf meiner Zocker CV vermerkt. Dementsprechend wusste ich auch nicht, was mich ganz speziell erwarten würde, abgesehen von Sidescrolling und Backtracking.

Das erste Gebiet erzeugte auf jeden Fall jede Menge Lust, jede Ecke auszukundschaften. Ich machte mir keine Sorgen, irgendwann ein besseres Hüpf Item zu finden bei den vielen Ebenen, welche Miriam, meine spielbare Hauptfigur, noch nicht erreichen konnte. Das mit den schmerzhaft in einen eindringenden Glasscherben, die ab und an auftauchen, habe ich ahnungslos über mich ergehen lassen. Immerhin sterbe ich davon nicht. Der erste dicke Boss war dann aber ein extremer Spielspassbremser. Hier bekam ich zu spüren: Wer nicht aktiv grindet und Gegnerbewegungen einstudiert, wird öfter umkippen als ein Kleinkind auf Fahrrad ohne Stützräder. Gute drei Stunden und zehn Upgrades später hatten sich meine Finger an das Tempo gewöhnt und meine Augen durften das Intro endlich geniessen.

Weitere Stunden später irre ich durch Gebiet 2 bis 5 und beisse mir an dem Schwierigkeitsgrad die Zähne aus. Zwei Räume vorwärts, zwei zurück zum Healthbar Sofa/Speicherpunkt. So arbeite ich mich Zentimeter für Zentimeter, Level Upgrade für Level Upgrade an einen entstressten Spielfluss heran. Mittlerweile quellt mein Rucksack auch über vor Loot und Kosmetika. Nur kochen kann ich irgendwie nicht, was angeblich wichtig sei. Rückblickend betrachtet würd ich mir selber gern eine Kopfnuss verpassen, das Studieren jedes noch so kleinsten Textes in meinem Menü und Sammelbuch nur oberflächlich und halbherzig angegangen zu sein, denn dort gibt es mehr Info als in der neuen Bibliothek in Alexandria. Das bekomme ich später noch deutlich zu spüren. Und der aufmerksame Leser wird fragen: Und was ist mit den Scherben? Ja, gute Frage, ab und zu tauchen die auf beim Gegnerschnetzeln,  irgendwas bewirken Sie beim Ausrüsten, aber meine Magieleiste ist schneller leer als ich Speicherpunkt sagen kann.

Die Karte deckt sich mittlerweile immer weiter auf. Ich sorge mich immer mehr um meine immernoch nicht verbesserten Hüpfskills und das nach fünf Bossen. Mittlerweile erkenne ich die Wichtigkeit von markant gesetzten Bücherschränken und komme mit der Erkenntnis endlich klar, hier kein Jump'n'Run vorzufinden, sondern ein hochgeklapptes Action RPG. Immerhin besser so, so taste ich mich langsam an verbesserte Waffen und Rüstungen heran. Die Monster hinterlassen soviel Kram, dass beim Scrollen durch die Listen meine Switch sehr oft buffert.

Irgendwann nach 16 Stunden merke ich, dass dir das Spiel nicht wirklich viel hilft, was zu erledigen sei. Nicht ein Hinweis, nichts. Ab und zu hüsteln dir ein paar NPCs kryptische Wortfetzen zu, oder du fällst aus Versehen in einen neu entdeckten Schacht. Aber sicher bist du dir nie. So passiert es auch, dass ich das Endboss Objekt der Begierde zufällig antreffe und siegreich auslösche, aber anstatt der Credits bekomme ich ein Game OVER??!! Wie jetzt? Nochmal ausprobiert, wieder falsch. Was soll das? Na gut, dann halt nicht. Plan Änderung! Bossraum ignorieren, hat ich auch noch nicht.

Ich verschanze mich in meinem Lager und fange an mich intensiv mit den Scherben zu beschäftigen und taufe diese von Monster geklauten Fähigkeiten ab jetzt Pokemons. Fang sie alle!! Ich hol mir Stift und Papier und schreibe mir die nach dem Pyramidensystem Botengänge auf und grinde mich wie ein Kammerjäger auf der Suche nach zielgerichteten Monstertypen und ihrem Drop durch bekannte Etagen. Mit internen Pokedex, WieWerdeIchStärker- und Kochbuch sowie meinen Notizen unterm Arm verbringe ich locker weitere 10 Stunden damit, der Story zu entsagen und mich hirntot aufzumotzen. Unterwegs treffe ich auch viele NPCs, die mich dabei unterstützen, kostet mich nur Aufwand und viel Zeit. Als Belohung gibt es noch mehr Schnickschnack.

Sich hier individuell auszutoben mit den unterschiedlichsten Waffen, Bekleiderei, Pokemon Attacken und Werteverteilungen erweist sich jetzt als Kern des gesamten Spielkonzepts. Perks, Punkte, Preise. Höher hüpfen kann ich aber immer noch nicht.

Aber dann, irgendwann zerscheppere ich eine weisse Scherbe. Weiss scheint wichtiger zu sein als blasslila, spinatgrün, honiggelb oder purpurpink. Ich kann nun besser hüpfen. Und ein paar Kapitel später sogar andere Kunststücke wie Beamen, Möbelpacker oder wie ein Stein versinken. Selbst diese Fähigkeiten gilt es zu pimpen, aber davon gibt es sehr, sehr wenige. Und einmal erhalten, öffnen sie dir einhundert neue Möglichkeiten. Vor allem eine Fähigkeit, welche dich staunend zurücklässt.

Ich könnte auch irgendein Schnellauswahl-Zahnrad-Menü anwählen beim Kämpfen, aber das habe ich bis heute noch nicht "Entlocked". Ich benutze einfach manuell das normale Menü, geht auch. Immerhin sterbe ich durch mein fleissiges Studium der Alchemie und Waffenschmiedekunst nur noch bei pixelgrossen, nicht enden wollenden Fledermaussalven und nicht bei den komplexen und zahlreich vorhandenen Bossen. Die Gute Laune kehrt zurück. Selbst triviale Gimmicks im Spiel wie "Setz dich da mal hin... stopp, nicht nur 5 Sekunden, bleib sitzen, hol dir selbst einen Snack!" treiben mir ein Grinsen ins Gesicht, auch wenn ich nur vermuten kann, dass es Castlevania Ostereier sein müssen. Bei einigen offensichtlich, bei vielen tipp ich einfach drauf.

Mit den neuen Fähigkeiten bestückt ist es auch überhaupt kein Drama, die bis dahin freigespielten Welten unzählige Male weiterhin neu zu erforschen und sich immer tiefer und weiter durch die Szenerie zu schneisen. Diese Neugierde war auch befriedigender als der Loot so mancher großen Schatzkisten. Sehr oft beschenkte mich das Spiel jetzt mit Ausrüstung, welche ich vor 20 Charakter Stufen dringlichst gebräucht hätte. Immerhin gutes Geld zum Tauschen beim Händler und Schmied. Wer viel grindet, wer viel erforscht, der bleibt flüssig und problembefreit. Wer der Panik vor dem Tod entsagen und sich an der Tüftelei und Ausprobierens der vielen Spielmechaniken erfreuen kann, wird hier in Liebe schwelgen.

ABER DANN. Es gibt zwei Stellen im Spiel, welche wirklich so unglücklich kommuniziert werden, dass es dich in die Arme von Walkthroughs treibt.

- Erstens: Es gibt eine ganz bestimmte Sorte von Hindernissen. Denkst du dir, ok, muss ich eine weisse Scherbe auftreiben. Aber nein. Jetzt kommt die Stelle mit dem "Lesen im Kleingedrucktem" im Menü. Selber finden musst du den Hinweis aber selber. Oder zufällig drüberstolpern? Da wär ich niemals darauf gekommen. Nicht bei der Anzahl an Krams.

- Zweitens: Rund und Rot und bitte nicht töten, mehr sag ich nicht. Warum? Wie? Wo war der Hinweis? In der Prä-Internet-Era wär das Spiel unfertig bespielt im Regal gelandet. Das frustet schon ein wenig.

Auf jeden Fall steh ich jetzt am Ende vor der ganzen Endboss Parade. Mir fehlen noch ein paar Stufen, wurde hochkant aus der Arena geworfen. Level 65 reicht noch nicht. Das letzte Gebiet wird mir jedoch reichlich Erfahrungspunkte bringen und einige Geheimnisse muss ich noch öfter wiederholen.

Laut Youtube Elite könnt ich jetzt noch 500 Stunden reinbuttern, um alles zu finden, zu schmieden, auf Maximal zu drehen. Aber mehr Spielekulisse ist jetzt auch nicht mehr drin. Klar, nimm doch die Pistole anstatt des Katanas, rüste deine 5 Magie Slots mit diesen Pokemons aus, koche noch dieses Rezept. Aber so fühle ich mich mit meiner individuellen Pokemon-Waffen-Farben-Frisur-Kostüm-Reise mehr als zufrieden. Und ich kann mir gewiss sein: Grinden, Craften und Draufhauen löst hier alle Probleme.

StefanK, danke nochmal für dieses spassige Spiel. Ich hab es gehasst wie die Pest am Anfang, aber DANN
[https://www.youtube.com/watch?v=WOdOpDXvDD0]
:-)


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