Thema:
Re:Wenn das potthässliche Artdesign nicht wäre flat
Autor: Cpt.Atom
Datum:24.01.24 20:13
Antwort auf:Wenn das potthässliche Artdesign nicht wäre von Hanfling

>Fällt mir immer bei Beinfegern, Roundhouse Kicks, Würfen etc. auf.  
>Das sieht heutzutage unglaublich Panne aus wie sich der Oberkörper teils losgelöst vom Unterkörper zu drehen scheint und die Gliedmaßen merkwürdig umher gewirbelt werden. Das die Entwickler das einfach nicht ändern. Nach dem Motto „war schon immer so“.


Um da das ganze mal in ein anderes Licht zu rücken bzw. die Entwickler da ein wenig in Schutz zu nehmen, hier ein kleiner Erklärungsversuch, warum es in vielen Fighting Games (und insbesondere in langjährigen 3D Fightern) extrem schwierig ist bestimmte Moves zu verändern:

Alle Charaktere in Fighting Games gewinnen ihre Identität/Archetyp/Playstyle durch ihr Moveset. Das wichtige dabei ist, dass die optische Repräsentation (Animation) dazu nur einen kleineren Anteil beiträgt. Viel wichtiger dagegen, wie ein Charakter sich spielt und anfühlt, ist die technische Mechanik dahinter: also Framedata (wie schnell ist ein Move, wie lange ist seine Hit/Hurtbox aktiv im Spiel wirksam und wie schnell/langsam erholt sicher Move auf Block) und wie wirkt sich die Hitbox im Raum aus (in welchem Bereich kann ich treffen oder getroffen werden).
Während in 2D Fightern (alle Spiele bei denen man nicht in die dritte Dimension ausweichen kann, sondern dafür springt) Hitboxen als Rechtecke einfach auf eine 2D Ebene (das wird auch weiterhin in 2,5D Fightern gemacht) gelegt wird, wird eine Hitbox in Tekken als Volumen um den Körper (Körperteil) dargestellt. In einem 2D Spiel kannst du also eine Animation völlig entkoppelt von der eigentlichen Hitbox verändern. Solange die Hitbox gleich bleibt, bleibt die Funktionsweise des Moves völlig intakt. Es fühlt sich vielleicht weird an, aber der Move/Charakter funktioniert noch. In alten 2D Fighter gibt es einige Tritte/Schläge bei denen irgendwo aus dem Nichts eine Hitbox plötzlich verschwindet oder auftaucht.
Bei Tekken bestimmt die Animation fest, wo eine Hitbox sein kann oder eben nicht. Sie ist an den Körper getackert um auch in der Tiefe des Raumes Treffer zu ermöglichen. Die Interaktionsmöglichkeiten sind dadurch extrem kompliziert und schwer zu balancen.   Fängst du nun an dem Move einen anderen Look/Animation zu geben, veränderst du unter Umständen fast automatisch damit die Framedata (Kategorie und Funktionsweise des Moves) und immer definitiv die Hitbox. Da viele Figuren von diesen Legacy-Moves Ihre Spielweise und Identität ableiten, wäre das so als wenn du aus einem Kartenhaus von unten ein paar Karten rausziehst. Alle Moves/Karten bauen aufeinander auf und musst du dir sofort Gedanken um die Balance machen, sonst stürzt mit Sicherheit alles in sich zusammen.
Zum Lebensende von Tekken 7 war das Entwicklerteam mutig und wollte den Hellsweep (Fussfeger bei dem sich die Figur so schön verdreht) von  Kazuya/DevilJin/Heihachi neu balancen. Man hat weder die Animation noch die Framedata angefasst, sondern nur zugelassen, dass man den Move nun in beide Richtungen sidesteppen konnte (Hitbox verändert). Das hat das komplette Mixup und Pressure der Mishimas zerstört. Jeder Spieler hat das bei der Ankündigung schon rausgelesen was das bedeutet und das Tekken Team wollte mal wissen, wie die Leute auf so eine grundlegende Änderung des Archetyps reagieren. Resultat: Tekken-Twitter hat wochenlang einfach nur gebrannt, bis sie die Änderung wieder rückgängig gemacht hatten.
Für den Casual Spieler mag das vielleicht unverständlich klingen oder einfach egal sein, wie Charaktere gespielt werden, aber dem Hardcore-Publikum, welches die Serie seit Jahrzehnten begleitet, das seine Charaktere und deren DNA liebt und die Form des Spiels durch Feedback ständig mit- und weiterentwickelt ist sowas heilig. Das bedeutet jetzt auch nicht, dass es automatisch unmöglioch ist, aber das kann man nur schrittweise machen und sehr vorsichtig.
Und Tekken ist da eigentlich noch ein Beispiel bei dem die Entwickler immer versucht haben, durch das "Überzeichnen" der Animation einen positiven Effekt zu generieren. Sei es durch das Vergrössern von Händen auf Hit oder das Verdrehen der Hüfte um dem Kick mehr Schwung zu verleihen.
Wenn ich da vergleihsweise an die Mortal Kombat DNA denke... die halten ja sogar noch hardcore an den 2D Sachen fest oder am komplett irsinnigen Hitstop. Aber das ist halt was den Look der Spiele definiert.


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