Thema:
Mittlerweile versöhnt flat
Autor: token
Datum:05.01.20 10:41
Antwort auf:Sekiro - Shadows Die A Lot #2 von Gunpriest

Nach dem ich die letzten Tage sehr viel Zeit mit Sekiro verbracht habe, oder Zeit damit verbracht habe anderen beim Sekiro zocken zuzuschauen, was ich ziemlich lehrreich, wie auch unterhaltsam fand, mal ein Update meiner Gedanken zum Spiel.
Sekiro ist letzten Endes doch verdammt gut. Und ja, es ist eine ziemlich harte Schule, aber, es ist machbarer als es über weite Strecken den Anschein machte. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn ich Sekiro jetzt von vorne starten würde, würde ich viele der mir in die Eier tretenden Hürden entspannter sehen und die meisten von ihnen recht überlegen zersäbeln.

Was die Lernkurve von Sekiro brutal machen kann ist in meinen Augen die gnadenlose Konsequenz des Kampfsystems. Was auch passt wenn man darüber nachdenkt was da eigentlich passiert, wenn sich zwei Kämpfer mit einem Schwert gegenüber stehen. Menschen aus Fleisch und Blut, bewaffnet mit scharfen und spitzen Todeswerkzeugen. Natürlich können Treffer fatal sein, und wenn man dachte Souls seien Games in denen man schnell sterben kann wenn man mal kurz unachtsam ist oder einen Fehler macht, was sie ja sind, im Vergleich mit Sekiro sind das antiautoritäre Eltern vs. Militärschule.

Ein anderer Punkt ist tatsächlich dass hunderte Stunden mit Souls je nach Spielweise kein Vorteil sind, sondern ein nicht zu unterschätzendes Handicap. Dass der Aufbau von neuen Automatismen im Alter schwerer fällt als in der Jugend ist ja klar, da braucht es halt ein wenig länger. Aber, wenn du in Fleisch und Blut festgefahrene Automatismen hast die ständig unbewusst zünden und das Spiel ein Gegenentwurf zu diesen ist, und du Hand in Hand gehend nicht nur etwas lernen musst, sondern dir einen ganzen Katalog von Flausen im Kopf abgewöhnen musst, eieiei.

Fluchtinstinkt bei Sekiro? Oftmals der Anfang vom Ende.
Nur auf Körpertreffer gehen und das Parrysystem nicht aktiv und offensiv spielen? Falsch.
Der Dodge als maßgebliche Gegeninitiative zur Initiave des Gegners? Falsch! Falsch! Falsch!
Und das sind die Metaebenen. Hinzu kommen einfache Dinge. Buttonspamming? Abtrainieren, alles kontrolliert spielen. Das Parrysystem muss man auch erstmal automatisiert bekommen in seinen Abläufen, die Logik des Spiels wo es gilt zu halten, das Auge für die eigene Haltung, wann man also die Taste hält, wann man sie drückt, wann man sie tappt, und vor allem das schnelle und korrekte Verarbeiten der Angriffe wo die Deckung die falsche Antwort und dann doch ein Dodge oder Jump kommen muss. Wobei Gegner gerade da gerne mit Finten arbeiten.

Und das muss sitzen, das muss instinktiv kommen, zumindest bei meinem Reaktionsvermögen bringt mir der Automatismus genau die Millisekunden die ich brauche um genug Räume zu haben zu Erkennen, zu Verarbeiten und die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Darüber nachdenken zu müssen, quasi seine Aktionen denken zu müssen, funktioniert bei mir nicht.
Dieser Moment wo Sachen anfangen instinktiv zu funktionieren ist ein Moment gewesen wo ich das Gefühl hatte dass das Spiel irgendwie anfängt langsamer zu laufen. Was es natürlich nicht tut, aber wie sich hier die Wahrnehmung von Zeitfenstern verändert ist wirklich faszinierend. Und ein weiterer Meilenstein ist dieses „Fuck“ im Kopf. Wenn du erkennst, das war falsch. Wenn es anfängt so früh zu kommen dass du den Fehler begreifst bevor dessen Konsequenzen einschlagen bist du eigentlich schon auf der Siegerstraße. Es macht den Kampf erstmal etwas einfacher, weil die Instakills sind in der Regel nicht Kills wo es nur einen Hit gibt, sondern es ist der zweite oder dritte oder vierte Hieb einer Kette, und das geht verdammt schnell, aber wenn du schon merkst, gleich wackelt das Kartenhaus ist das oftmals schon genug um den Kopf nochmal aus der Schlinge ziehen zu können und das Kartenhaus neu aufzubauen.  

Der aktuelle Post vom feiernden Inselbegabten bringt auch einen interessanten Gedanken gibt, der mir erstmal gar nicht so bewusst war, den ich aber dick unterschreiben muss wenn ich darüber nachdenke. Diese Trennung von Körper und Geist.
Es ist wirklich so! Und ich hab das in einer derartigen Intensität noch nicht erlebt.
Es ist fast so als seiest du zwei Personen. Dein Verstand ist irgendwie wie ein Trainer an der Seitenlinie und der Körper der Spieler der auf dem Feld steht. Der Verstand sagt dem Spieler was er tun muss, trainiert ihn, bereitet ihn vor, gibt ihm Strategien mit. Aber läuft der Kampf ist der Trainer an der Seitenlinie und kann mit verzweifelten und wütenden Kommandos nur noch bedingt Einfluss auf das nehmen was auf dem Platz passiert. Manche der Kommandos fruchten, so strategische Sachen. Du siehst wie sich die Spieler nach dem Führungstor in ihre eigene Hälfte zurückziehen, sich zunehmend in den eigenen Strafraum drücken lassen, abwarten wollen, kontern wollen, und du siehst, NEIN, Falsch Leute, jetzt erst Recht, weiter Druck machen ihr Spinner, ihr habt den Gegner im Griff, er kann nicht mit eurem Druck umgehen, ihr bringt ihn doch selbst erst wieder ins Spiel! Und dein Verstand sieht wie sich dein Spieler aus dem Gefecht zurück zieht und schreit ihn an, hör auf damit! Geh drauf! Jetzt erst Recht! DRAUF!

Für mich ist das wirklich so, und zwar exakt so. Der Körper ist im Tunnel, mein Kopf steht nur an der Seitenlinie, und der Körper drückt den Analogstick nach hinten, und sofort schreit der Kopf, hör auf damit! Nach vorne gehen! Und der Körper gehorcht und wechselt wieder die Richtung. Das ist eh eine der fiesesten Geschichten in der Kampfstrategie. Die Philosophie der Offensive. Des Gegenpressings. Es ist so wichtig. Das steht auch alles in den Ladebildschirmen, die sollte man lesen und sich die Sachen die dort stehen wirklich zu Herzen nehmen, das zu beherzigen wird letzten Endes auch belohnt, aber es muss auch erarbeitet werden. Und diese strategischen Kommandos des Verstands bringen was, Einfluss auf die Spielausrichtung kann man nehmen und von Außen strategische Fehler der Körper macht der auch immer wieder Angst vor der eigenen Courage bekommt korrigieren. Es bringt aber nichts deinen Spieler damit zu beschimpfen wie oft er denn noch auf diese eine Finte reinfallen möchte, da hilft nur üben üben üben. Wiederholen. Wiederholen. Wiederholen.
Dafür sind die Abläufe aber auch extrem berechenbar, derart berechenbar dass du kleinste eingestreute Verhaltensänderungen des Gegners, wo er einmal etwas anders macht als sonst, sofort bemerkst und dich wunderst wo das jetzt herkommt.

Ist Sekiro schwerer als Souls. Ja und Nein. Aber eher ja. Sekiro ist berechenbarer, klarer in seinen Regeln. Aber es braucht Automatismen viel viel stärker als es bei Souls der Fall war, schnürt Räume für Fehler viel stringenter ab, bestraft sehr viel freizügiger mit dem Tod.
Die Art wie sehr ich bei Sekiro auf Automatismen angewiesen bin, ist viel eher vergleichbar mit Titeln wie Trials oder Rocket League, auch da musst du irgendwann Fahrrad fahren können, ohne über Dinge wie linkes Pedal drücken, rechtes Pedal drücken, nachdenken zu müssen. Da muss einfach dieses, ich fahre jetzt nach rechts, am Start sein, und nicht, ich drehe den Lenker, weil diese Übersetzung von Aktion Richtung Effekt einfach Zeit kostet die man nicht hat.
Vor allem erinnert es mich aber weiterhin brutal an Guitar Hero.

Das ist im Grunde auf so vielen Eben die gleiche Schose. Du musst den Körper Automatisieren damit er selbst zum Instrument wird, auf welchem das Feedback des Screens spielt. Und du lernst die Patterns, wieder und wieder und wieder, bis sie automatisch kommen. Und das was passiert hat maßgeblich mit Timing und Rhythmus zu tun. Es gibt nur einen entscheidenden Unterschied, du erwartest nicht die Noten, du kannst die Noten erwarten, es wird dadurch aber nur schwerer, es geht um die Initiative, und auch dass diese Initiative geplant ist. Schlag, Schlag, Deflect. Hol dir die Noten. Lass den Song nicht die Noten spielen die er spielen möchte, zwing dem Song dein eigenes Spiel auf.
Das ist Sekiro.

Und sitzt man erst in diesem Sattel wo diese Groschen gefallen sind, dann ist das Anlaufen von Bossen auch nicht mehr so frustrierend. Es ist wie bei Guitar Hero. Man lernt den Song, und jeder Neuversuch zeigt dass zunehmend Dinge wie von selbst gehen die 10 Versuche vorher unmöglich schienen, und das entfaltet wieder eine Form von Ansporn und Motivation und Vergnügen beim Failen, weil du merkst du hast Zugriff. Und wenn du merkst, du baust ab, jeder Lauf wird schlechter und schlechter, dann auch aufhören, was anderes machen, die Synapsen im Kopf paar neue Verbindungen eingehen lassen, und der nächste Versuch läuft dann plötzlich noch viel viel besser als vorher, bevor man wieder abbaut.
Und irgendwann sitzt der Song und es ist so befriedigend es geschafft zu haben, und der Trainer steht am Spielfeldrand und platzt vor Stolz und kann gar nicht glauben was sein Junge da abzieht und dass das in ihm steckt.

Sekiro ist am Ende des Tages vor allem eines.
Es ist fucking intensiv!
Aber es ist mechanisch auch derart erhaben, und wie es Fights inszeniert, ist gottverdammte Referenz. Jedes Klonk, jedes Wusch lässt dich im Tunnel erbeben, und kommt der Deathblow ist die angemessene Brutalität mit dem die Bezwingung gefeiert wird ein Bloodporn der seines Gleichen sucht.


< antworten >